Johannes Wierz
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Jakob
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Romane
Prolog
Der erste Satz ist der schwerste, hat Jeremias gesagt und recht behalten. Zu viele Gedanken sind im Kopf, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Wenn ich die Augen schließe, ist es genauso, wie Jeremias es beschrieben hat. Es summt und brummt, als würden Tausende von Hummeln und Bienen in meinem Kopf wohnen. In meinem ganzen Leben bin ich nicht einen Tag allein gewesen. Heute, zwei Tage vor der Zeugnisausgabe, habe ich es gewusst. Anstatt der Schulsachen habe ich ein paar Klamotten und Dinge, die man für eine Reise braucht, in den Rucksack gepackt. In der Nacht habe ich das Sparschwein mit einem Handtuch umwickelt und mit dem Hammer aus Mamas Werkstatt den Inhalt befreit. Die großen Münzen habe ich in die Hosentasche gesteckt und die Scheine in den Brustbeutel, den ich für das Zeltlager bekommen habe. Sie werden ohne mich nach Dänemark in See stechen. Meine Stimme wird am Lagerfeuer fehlen und es wird weniger Fisch zum Essen geben, denn ich bin ein guter Angler. Der beste.
Wenn man verschwinden will, muss man Spuren hinterlassen, hat Jeremias gesagt und ich habe mich daran gehalten. Ich habe das Fahrrad am Bahnhof abgestellt und abgeschlossen. Anschließend bin ich die Bahnhofstraße hinuntergegangen, an unserem Haus vorbei. Mama hat im Laden gestanden und einen Kunden bedient. Ich bin weitergegangen. Niemandem bin ich aufgefallen. Eine Kreuzung weiter habe ich für einen Moment Halt gemacht, weil ich geglaubt habe, eine Stimme hätte mich gerufen. Aber da ist nichts gewesen. So bin ich ich weitergezogen bis zum Wasser.
1. Tag
„Seit wann vermissen Sie den Jungen?“, will der leitende Beamte wissen, der sich als Hauptkommissar Jensen vorgestellt hat.
„Das habe ich doch alles schon am Telefon gesagt. Der Junge heißt Jakob und ist seit heute Nachmittag überfällig!“
Renate knibbelt nervös an den Fingern und ist versucht, sich ein paar Ecken der Nägel abzubeißen.
„Wie alt ist der Junge?“
„Das habe ich doch alles schon am Telefon geklärt. Jakob ist vierzehn und wird im Dezember fünfzehn Jahre!“
„Er hat doch sicherlich Freunde.“
„Hören Sie, ich habe sie alle angerufen. Die halbe Klasse, mehr als er wirklich Kontakt hat.“
„In zwei Tagen gibt es Zeugnisse, könnte es nicht sein...“
„Kein Thema“, unterbricht Renate den Beamten. „Da ist etwas passiert, das spüre ich!“
„Ich werde Ihnen jemanden vorbeischicken“, sagt Hauptkommissar Jensen und ist froh darüber, selbst keine Familie zu haben.
„Was für Massnahmen werden Sie einleiten?“
„Die Streifen in der Stadt und im Kreis sind bereits informiert. Geben Sie mir ein aktuelles Bild von dem Jungen, damit wir es an die Kollegen verteilen können.“
„Der Junge hat einen Namen. Er heißt Jakob!“
Renate ist wütend. Nicht nur auf den Beamten, sondern auch über ihre Hilflosigkeit.
„Sie haben noch einen Sohn?“
„Ja, Jonas. Jakobs Zwillingsbruder.“
„Kann ich ihn mal sprechen?“
„Jonas, kommst du bitte runter!“
„Mann, was ist denn jetzt schon wieder“, ruft eine Stimme von oben.
Jonas kommt gelangweilt die Treppe herunter und gähnt.
„Scheint dich nicht sonderlich zu interessieren, dass dein Bruder vermisst wird“, stellt Hauptkommissar Jensen fest und macht sich Anmerkungen in seinem kleinen Notizbuch.
„Wahrscheinlich sitzt er drüben im Kino und schaut sich nen Zeichentrickfilm an“, erwidert Jonas.
„Der Junge hat so gar keine Ähnlichkeiten mit...“
„Jakob“, unterbricht Renate den Beamten, „die Zwillinge sind nicht eineiig.“
„Mein Bruder schon, ich nicht“, zischt Jonas dazwischen.
„Hattet ihr Streit, dein Bruder und du?“, will Hauptkommissar Jensen wissen.
„Mit dem Opfer? Zur Zeit ist der zu nichts zu gebrauchen. Hat sich in ein Mädchen aus der Zehnten verguckt, der Spasti. Die hat ihn nicht mal mit dem Arsch angeguckt, den Zwerg.“
Jonas ist auf der letzten Stufe der Treppe stehengeblieben und schaut leicht genervt auf den Polizisten herab.
„Du sollst nicht so über deinen Bruder reden“, erwidert Renate und kämpft gegen die Wut und die Tränen.
„Dann werde ich mal wieder“, sagt Jonas und tapst auf Strümpfen die Treppe hinauf.
„Er ist in einem schwierigen Alter“, entschuldigt sich die Mutter.
„Und Jakob nicht?“, will Hauptkommissar Jensen wissen.
„Er ist noch irgendwo kindlicher!“
„So, so“, murmelt der Beamte und macht sich weiter Notizen.
„Ich bin Jakob, vierzehn Jahre alt, und habe beschlossen mein Leben zu ändern. Niemand weiß etwas davon und ich denke, die Dinge erst einmal aufzuschreiben, ist eine gute Idee.
Gegenüber dem Eisladen gibt es ein Schreibwarengeschäft, das Ende des Monats für immer schließen wird. Hier hat Mama mir den ersten Füller und eine Schultüte gekauft, die ich aber affig fand. Ich habe einen Zwillingsbruder, der Jonas heißt, der jünger ist als ich, aber jetzt schon einen Kopf größer. Körperlich soll er mir ein Jahr voraus sein, so Mama zu irgendwem am Telefon. Dafür lacht er wie ein Kleinkind und ist fast an jeder Körperstelle kitzelig. Meine Mama ist die älteste Mutter bei den Elternsprechtagen. Darüber klagt sie manchmal. Sie ist schon fünfundfünfzig Jahre und seit der Einschulung von Jonas und mir geschieden. Papa wohnt mit seiner jungen Freundin in der Vorstadt ist aber selten zu Hause, da er in China ganze Städte plant und baut.
Im Schaufenster habe ich die schwarze Kladde gesehen. So eine wie sie Jeremias besessen hat. Jeremias ist Schriftsteller und vor fünf Jahren in unser aller Leben aufgetaucht, bis er von einem Tag auf den anderen verschwunden gewesen ist.
„Jeremias kommt nicht mehr“, hat Mama gesagt und die Schlafzimmertür hinter sich zugeschlagen. Mein Bruder hat blöde gegrinst und die Hand aufgehalten. Wir hatten gewettet und ich habe verloren.
Ohne ein Wort habe ich Jonas den Fünfziger in die Hand gedrückt, denn er ist ein schlechter Gewinner. Auf seine Sprüche habe ich sowieso keine Böcke gehabt. Das Geld hat mir nicht weh getan, aber dass Jeremias einfach weg ist, ohne sich zu verabschieden.
„Sei froh, dass der weg ist“, hat Jonas gesagt. Aber ich bin nicht froh gewesen. Ich habe an meine Einschulung und an Papa gedacht, der plötzlich auch nicht mehr da gewesen ist.
Erwachsene treffen Entscheidungen und wir Kinder haben uns damit abzufinden. Sie schauen einen dabei so ernst an, dass man sich nicht traut Fragen zu stellen. Dabei habe ich so viele Fragen.
„Glaube mir, es ist besser so“, hat Mama gesagt und später im Schlafzimmer geweint. Dass war bei Papa so und bei Jeremias nicht anders. Das verstehe ich nicht. Mädchen sind ohnehin komisch und manchmal sehr nervig. Ist man cool, laufen sie einem die Bude ein und wollen alles von einem. Wenn ich mal was will, bin ich sofort der Looser.
Jonas legt sich nicht fest. Er ist zu allen nett und immer fein raus.
„Wenn du sie magst, dann sag es ihr“, hat Jeremias mal zu mir gesagt. Das hat mir eingeleuchtet und Kraft gegeben, aber am Ende bin ich der Dumme gewesen. Denise ist ohnehin ein blöder Name. Sie geht in die Zehnte und hat eine klasse Figur. Sie raucht heimlich in der Pause. Und abends im Stadtpark auch mal Haschisch. Die Jungs aus ihrer Klicke fahren alle schon Autos. Einen Monat lang habe ich Denise jeden Tag ein Gedicht geschickt. Wunderschöne Liebesgedichte, die leider nicht von mir sind. Jeremias hat sie an Mama geschrieben. Jetzt liegen sie auf dem Boden eines großen Weidenkorbs, der in Mamas Schlafzimmer steht. Darüber sind Bettzeug und Decken gestapelt. Dabei brauchen Gedichte Luft zum atmen, hat Jeremias gesagt. Ich habe sie abgeschrieben und an der ein oder anderen Stelle leicht verändert. Denise sieht nun mal anders als Mama aus. Wenn ich älter wäre und nicht ihr Sohn, würde ich mich in Mama verlieben. Sie ist eine tolle Frau und ihr Lachen ist immer ansteckend. Nur wenn sie traurig ist, sieht sie so müde und fast wie Oma aus. Ich hoffe, dass sie nicht traurig ist, dass ich nicht mehr da bin. Aber sie hat ja noch Jonas, der ihr ohnehin ähnlicher ist als ich. Sagen alle. Der Jonas kommt ganz auf die Mutter, sagen sie, und ich auf den Vater. Dabei kennen die meisten meinen Vater überhaupt nicht. Die meiste Zeit des Jahres ist er in China und plant dort Städte für Millionen von Menschen. Wenn er hier ist, hat er meist Kopfschmerzen, liegt mit einem feuchten Waschlappen auf der Stirn im Bett bei geschlossenen Jalousien. In der Doppelhaushälfte am Rande der Stadt teilen Jonas und ich uns ein Zimmer unter dem Dach. Zum Glück müssen wir nicht so oft bei unserem Vater übernachten. Jonas ist eine Nachteule und ständig online. So bleibt mir nichts anderes übrig, als mit Sonnenbrille und Kopfhörer ins Bett zu gehen. Zum Glück haben wir Zuhause jeder ein eigenes Zimmer.
Jetzt sitze ich am Wasser und die Sonne ist kurz davor, hinter dem Deich zu verschwinden. Die letzten Segelboote fahren in den Yachthafen hinein.
Die „Andoria“, ein Motorboot aus Bremen fährt heute noch nach Hamburg. Ich habe gefragt, ob sie mich mitnehmen. Der Mann war erst dagegen, aber die Frau war nett und hat mir eine Limo geschenkt und heimlich genickt.
„Sag ihm bitte, dass er mich zurückrufen soll. Sein Sohn ist verschwunden, geht das in dein Spatzenhirn!“ Renate beendet mit einem Knopfdruck die Verbindung. „Die Neue“ von ihrem Ex hat sie von Anfang an nicht leiden können. Besonders, wenn sie mit Erziehungsvorschlägen daher kommt.
„Bitte misch dich nicht in die Erziehung unserer Kinder ein“, wie oft hat sie das dem Püppchen gesagt, die jetzt mit ihrem Ex die Doppelhaushälfte am Rande der Stadt bewohnt. Fast zwanzig Jahre jünger ist sie, wie lächerlich ist das denn. Und dann die ständige Drohung mit eigenen Kindern. Der Ex wird sich hüten, noch mehr Kinder in die Welt zu setzen. Der Ex hat seine Hobbys und die kosten. Im Grunde hat er sein Junggesellenleben nie aufgegeben.
Renate ist in den Garten gegangen und hat sich mit zittriger Hand eine Zigarette angezündet. Heute ist es ihr egal, wenn sie Jonas dabei erwischen würde. Die Polizisten, die da gewesen sind, werden sie sicher für eine hysterische Kuh halten. Sollen sie ruhig. Zwei oder dreimal würden sie heute bestimmt noch auf dem Kommissariat anrufen. Dieser Jensen hat bestimmt keine Kinder, sonst hätte der nicht so gleichgültig reagiert. Ohne Druck werden die ohnehin nichts machen.
„Jakob komm bitte nach Hause“, sagt Renate leise und inhaliert den letzten Zug an der Zigarette.
„Was halten Sie von der Sache?“, fragt Hauptkommissar Jensen die Kollegin Schmidtbauer im Wagen.
„Der Junge ist gerade Mal vier Stunden überfällig. Klarer Fall von allein erziehender Mutter. Die Kinder sind ihr ein und alles. Dafür lebt sie und gibt alles andere auf“, erwidert Monika Schmidtbauer und legt den Sicherheitsgurt an.
„Das aus ihrem Mund!“
„Na, wenn es wahr ist. Die Frau hat ein eigenes Geschäft. Eine sechs Tage Woche und zwei Kinder in der Pubertät. Was bleibt da noch vom Leben. Das Unerfüllte wird in die lieben Kleinen projeziert.“
„Hoffentlich ist es keine sexuelle Sache!“ Hauptkommissar Jensen zündet sich eine Zigarette an und starrt aus dem Fenster.
Jeder im Polizeipräsidium kennt Jensens Geschichte. Zwei Jahre ist es her, da haben Kollegen seinen zehnjährigen Neffen hinter dem Deich gefunden. Er ist das fünfte Opfer des Maskenmörders gewesen, der im letzten Jahr gefasst worden ist und endlich vor Gericht steht.
„Wenn der Junge bis morgen nicht zurück ist, nehmen wir uns sein Zimmer vor. Und sorgen Sie bitte dafür, dass jede Streife im Umkreis ein Foto von dem Fahrrad des Vermissten bekommt.“
Die Kollegin nickt, weiß aber, dass ihr Chef mit seinen Gedanken ganz woanders ist.
Renate sitzt in der Küche und schaut auf die große Uhr, deren Zeiger sich einfach nicht schnell genug bewegen wollen. Normalerweise würde sie jetzt schon seit zwei Stunden im Bett liegen. Denn um fünf Uhr klingelt ihr Wecker. Mit Kaffee und ein paar Tabletten würde sie schon über die Nacht kommen.
Zum wiederholten Mal drückte sie eine Nummer. Die „Neue“ ihres Ex hat wahrscheinlich den Stecker gezogen. Renate wählt das Handy des Vaters ihrer Kinder an.
„Der Teilnehmer ist zur Zeit nicht erreichbar“, wiederholt eine Stimme in zwei Sprachen.
Leise geht Renate die Treppe hinauf und öffnet die Tür zu Jonas Zimmer. Der Junge schläft. Neben ihm auf dem Kissen das aufgeschlagene Laptop, das blau schimmert. Renate klappt es zu und stellt es auf den Tisch.
Jakobs Zimmer kommt ihr dunkler vor, obwohl die gleichen Lampen brennen, wie bei seinem Bruder. Sie setzt sich aufs Bett und riecht an der Bettwäsche und dem Schlafanzug. Renate schließt die Augen und streicht Jakob über den Kopf, der ihr jetzt so nah ist.
Das Ehepaar hat mich in Blankenese an Land gelassen. Während der Fahrt habe ich mich zweimal mit dem Mann und viermal mit der Frau fotografieren lassen. Auf einem Foto sind wir zu dritt drauf.
„So einen könntest du auch haben“, hat die Frau immer wieder zu ihrem Mann gesagt, der sich die Kapitänsmütze tief ins Gesicht gezogen hat. Ich habe zum Abschied gewunken und die Frau hat mir zugerufen, dass ich jederzeit wieder mitfahren könnte.
Ich bin noch eine Weile sitzen geblieben und habe auf der anderen Seite des Wassers den Cranzer Hauptdeich gesehen, einen der Lieblingsplätze meiner Mutter. Ein kleiner langgezogener Strich, weit weg, als läge er am anderen Ende eines Meeres. Mit der Abendsonne habe ich mich auf den Weg gemacht, ohne zu wissen wohin.
Das Telefon piept seit Minuten. Jonas ist wach geworden und macht sich auf die Suche. In Mamas Schlafzimmer unter der Bettdecke findet er das Telefon.
„Hallo, ich weiß nicht wo Mama ist. Ich bin Jonas, der Bruder von Jakob“, sagt Jonas und gähnt. „Natürlich hat mein Bruder ein Smartphone. Ob ich die Nummer habe, logo!“
Jensen reicht der Kollegin die Nummer herüber.
„Vielleicht haben wir ja Glück.“
„Wenn der Junge wirklich abgehauen ist, wird er das Handy ausgeschaltet haben. Andernfalls hätten wir einen Anhaltspunkt“, erwidert Monika Schmidtbauer und telefoniert mit dem zuständigen Kollegen.
„Ich weiß, wie spät es ist. Sie sind nicht der einzige, der jetzt noch arbeiten muss!“
„Morgen früh bitte ich die Hamburger Kollegen um Amtshilfe und am Nachmittag wenden wir uns an die Presse“, sagt Jensen müde und schüttet sich einen Whisky in einen Pappbecher.
„Wollen Sie auch einen?“
„Nein, danke, ich muss noch fahren.
„Dass die Mutter noch nicht angerufen hat.“
Jensen und Schmidtbauer grinsen, als kurz darauf das Telefon klingelt.
„Nein, es gibt von unserer Seite nichts neues. Wir haben nur die Handynummer ihres Sohnes für eine Standortfeststellung benötigt, warten Sie, es klingelt gerade auf der anderen Leitung.“ Monika Schmidthuber legt das Telefon beiseite und schnappt sich den anderen Hörer. „Ja, danke für die schnelle Hilfe.“
„Sind sie noch dran?. Hören Sie, das Smartphone ihres Sohnes Jakob muss in ihrem Haus sein, könnten Sie es bitte für uns suchen!“
„Jakob, ich weiß, dass du da bist“, ruft Renate durchs Haus und dreht sich dabei wie ein Derwisch im Kreis. So hat Jonas seine Mama noch nie gesehen.
Renate steigt über die Ausziehtreppe auf den stickigen Speicher. Aber da ist Jakob nicht. Sie öffnet in der ersten Etage alle Schränke und schaut selbst hinter den Duschvorhang. Von Jakob fehlt jede Spur. Renate geht in den Keller, ins Lager und in die Werkstatt.
„Jakob, ich weiß, dass du da bist!“ Aber sie erhält keine Antwort.
Ich habe Hunger und ein bisschen Heimweh. Die Süssigkeiten, die ich in meinen Rucksack gesteckt habe, sind längst gefuttert. Jetzt einen riesen Burger mit einer doppelten Portion Pommes. In Blankenese gibt es bestimmt keinen Burger King oder McDonald‘s. Ich weiß nicht, wie weit ich von hier bis Hamburg brauche. Am Bahnhof kenne ich mich aus. Da haben die Läden die ganze Nacht auf. Aber bis dahin muss ich etwas essen. Ich bin runter ans Wasser und habe die Angel ausgepackt. Wäre doch gelacht, wenn ich aus der Elbe keinen Fisch ziehen würde.
„Morgens beißen sie besser“, sagt ein alter Mann, der sich neben mich setzt und mir eine Zigarette anbietet.
„Ich bin erst vierzehn!“, sage ich, aber das scheint dem Bärtigen egal zu sein.
„Mit Frauen, Zigaretten und Alkohol kann man gar nicht früh genug anfangen“, sagt er und rasselt wie ein Schlossgespenst.
Aus Höflichkeit paffe ich eine mit. Dann gerät die Schnur an meiner Angel unter Spannung und ich hole einen seltsamen Fisch aus dem Wasser, den ich nicht kenne. Das Gesicht sieht aus, wie von einem Comiczeichner gemalt. Besonders die Nase ist auffällig. Ich habe nie zuvor bei einem Fisch eine Nase gesehen.
„Das ist ja auch der Nasenfisch“, sagt der Mann und schmeißt ihn wieder ins Wasser. Ich glaube ihm kein Wort und ärgere mich, dass ich das Smartphone nicht mitgenommen habe. Jonas hätte ganz schöne Augen gemacht, wenn ich ihm das Bild von dem Fisch gepostet hätte.
„Glaub mir Junge, der Fisch ist ungenießbar und hat fiese Gräten“, sagt der alte Mann und kramt in seinen Taschen herum. „Ein guter Angler hat immer vorgesorgt!“
Er holt zwei gelbe Dosen zum Vorschein. Sardinen in Öl steht auf dem Deckel. Mit so großem Hunger schlinge ich die Sardinen herunter, dass er mir seine Dose auch schenkt.
Jetzt ist mir schlecht und der alte Mann überredet mich etwas von dem Zeug zu trinken, dass er in einer kleinen Metallflasche aufbewahrt, die er aus der Brusttasche zieht. Das Zeug schmeckt fürchterlich und brennt im Mund und im Rachen. Dafür gehen die Bauchschmerzen weg und ich werde albern. Über jeden Mist kann ich lachen. Bildet sich beispielsweise eine Luftblase am Schwimmer der Angel, kann ich nicht anders als laut los zu prusten. Der alte Mann lacht auch und klopft mir auf die Schultern.
So sitzen wir stundenlang an der Elbe, schauen auf ein schwarzes Wasser und unsere Angeln, an denen kein Fisch mehr anbeißen wird.
„Auch Fische schlafen“, sagt der Mann und ich muss sofort wieder lachen, weil ich mir einen Fisch vorgestellt habe, der einen bunten Frotteeschlafanzug mit „Findet Nemo“ Motiven darauf hat.
„Ich habe das Handy gefunden“, ruft Renate in den Hörer.
„Sie wissen schon, wie spät es ist“, erwidert Jensen, der im Grunde nichts anderes erwartet hat.
„Es geht doch um Jakob!“ Renate kämpft mit den Tränen. Die Müdigkeit hat sie längst abgestreift.
„Versuchen Sie den heutigen Tag so normal wie möglich zu gestalten. Schicken Sie Ihren anderen Sohn in die Schule, geben Sie ihm bitte eine Entschuldigung für Jakob mit und öffnen Sie Ihr Geschäft, als wäre nichts gewesen.“
„Ich weiß nicht!“
„Tun Sie mir bitte den Gefallen. Gegen zehn Uhr morgens werde ich bei Ihnen sein!“
Jensen legt das Telefon beiseite und starrt aus dem Fenster. Zum Glück regnet es nicht.
Marlene
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Prolog
Schmetterlinge. Viele Schmetterlinge. Unzählige weiße Schmetterlinge fliegen durch eine unwirkliche Landschaft aus blassen Pastellfarben. Nichts ist so, wie er es einmal gekannt hat. Das Moos, in dem er liegt, ist weiß und fühlt sich wie Watte an. Über ihm rast ein Himmel vorbei als gäbe es kein Morgen. Was Unsinn ist, denn es gibt kein Gestern und Morgen. Es gibt nur ein Jetzt, das unendlich zu sein scheint. Nur die Wolken haben keine Zeit, sie liefern sich mit den weißen Schmetterlingen ein Rennen. Der Geruch, der aus den großen Kelchen der Blumen strömt, ist eine Melange aus bitter und süß. Die blassbraunen Bäume biegen sich unter der weißen Last. Unmerklich schütteln sie sich und werfen Wattebäusche in das weiße Moos. Ständig hat er Durst. Seine Zunge fühlt sich wie Bimsstein an. Bimsstein, ein Wort, nachdem er lange hat suchen müssen. Ein schwerer Riegel versperrt die Türen zu seinem Inneren. Er schmeckt das Eisen in seinem Mund. Wenn er die Augen schließt, ist es dunkel. Da ist nichts. Einer der weißen Schmetterlinge setzt sich auf seine Nase, sodass er ihn doppelt sehen muss. Er ist so leicht, dass er ihn nicht spürt. Nur das Gefühl alles doppelt zu sehen, ist unangenehm. Das weiche Moos unter ihm gerät in Bewegung. Leichte Wellenbewegung wie zwischen den Inseln des Indischen Ozeans. Indischer Ozean, wieder ein Begriff, der durch den Schlitz einer Tür in seinem Inneren gefallen zu sein scheint. Kleine Nachrichten, die ihm guttun. Irgendetwas in mir hat mich noch nicht vergessen, denkt er und greift in Watte. Ich werde verdursten und der doppelte Schmetterling schaut mir
beim Sterben zu. Die Hände, die im weißen Moos die Watte greifen, sind zu schwer, als dass er sie heben kann, um den weißen Falter auf seiner Nase zu vertreiben. Das doppelte Lottchen, ein Kinderbuch, fällt ihm ein. Wieder eine Nachricht, die im Flur seines Inneren landet. Die Wellenbewegungen unter ihm werden stärker. Er ist so schwer, dass keine Gewalt ihn wegreissen kann. Der Schwarm der weißen Schmetterlinge wird dichter und verdeckt den rasenden Himmel fast zur Gänze. Er schließt die Augen und fällt in ein Nichts, als ob sich das weiche Moos aus Watte unter ihm geöffnet hätte. Er spürt den Luftzug rechts, links, oben, unten und die Kälte, die damit verbunden ist. Mit offenem Mund geht es in eine andere, unbekannte Welt, die zumindest Feuchtigkeit kennt. Gierig verlässt der Bimsstein seine Höhle, um ein paar Tropfen zu erwischen. Er würde alles geben für ein weiches Fell. Der doppelte Schmetterling begleitet ihn auf seiner Reise. Der große weite Teppich aus einem Schwarm aus weißen Schmetterlingen und einem rasenden Himmel wird kleiner. Bullaugen groß. Bierdeckel groß. Erst als der Himmel stecknadelgroß ist, zieht es den Schmetterling auf seiner Nase wieder nach oben. Dunkelheit. Nichts. Die Zunge hat ein weiches Fell bekommen und zieht sich in die Höhle zurück. Irgendwo ein rotes Licht, das zwischen dem Dunkeln wabert, größer und größer wird. In einer Kathedrale aus rotem flackernden Licht endet seine Reise. Nässe. Feuchtigkeit. Alles in ihm sehnt sich nach Wasser als wäre er ein Schwamm. Modergeruch um ihn herum. Als er den lindgrünen Schleim, in dem er liegt, zu greifen bekommt, und seine plötzlich leichten Hände es ihm vor Augen führen, riecht er es. Erst namenlos.
Nichts. Dann Waldmeister. Wie ist die neue Nachricht durch den Schlitz bis hier im tiefen Schlund heruntergekommen? Er weiß es nicht. Der Schmerz, den er verspürt, weil von allen Seiten etwas in ihn eindringt, kann er nicht orten. Mehr als oben, unten, rechts oder links gibt es nicht. Aber ein Schwamm hat viele Öffnungen...
...Sie schaut auf die Hände: die eine hält eine Stoppuhr, die andere hat einen Finger am Lichtschalter.
Einunddreißig Teile unterschiedlicher Größen liegen auf dem Tisch. Ihr Blick schweift über die Arbeitsplatte.
„Bist du so weit?“, fragt die Stimme.
Sie nickt stumm.
In der Dunkelheit ist nur das schnelle Ticken der Stoppuhr zu hören.
Mit geschickten Fingern setzt sie die einunddreißig Teile wieder zusammen.
„Fertig!“, ruft sie in die Dunkelheit.
Das Licht geht an.
Mit einem kleinen Lächeln betrachtet sie ihr Werk. Alle Teile sitzen am richtigen Platz.
„Neuer Rekord!“, sagt die Stimme...
...Angst, ein viel zu kleines Wort mit so vielen Gesichtern. Schweißgebadet wacht sie in der Nacht auf. Sie hat die großen Hände an ihrem Hals gespürt. Nein, das bildet sie sich nicht ein. Genauso, wie ein paar Nächte zuvor, als eine Katze über das Bett gehuscht ist, obwohl sie überhaupt keine Katze besitzt und die Fenster in der
Nacht alle geschlossen sind. Trotz Schlafmittel kann sie keine Nacht durchschlafen. Am Tag fühlt sie sich wie gerädert. Jede zufällige Berührung jagt ihr einen Schrecken ein. Gänsehaut, ein Kleid, das sie seit Wochen trägt. Tritt sie vor die Tür und atmet die Wirklichkeit ein, fühlt sie sich für einen Moment beruhigt. Spätestens auf dem Bürgersteig hört sie die Schritte, die sie verfolgen. Längst dreht sie sich nicht mehr um, das hat schon nichts in den ersten Wochen gebracht. Überquert sie eine Kreuzung, fährt mit Bestimmtheit ein Auto mit erhöhter Geschwindigkeit über die rote Ampel. Auch, dass jemand im Kaufhaus versucht hat, sie auf der Rolltreppe nach unten zu schubsen, ist keine Einbildung. Es sei denn...
Ankunft
Marlene liegt auf dem Bett und lächelt. Sie hat einen schönen Traum gehabt. Das rosa Stoffschwein, das in ihren Armen liegt, scheint es ähnlich ergangen zu sein, denn es lächelt auch.
„Das Schwein lächelt immer“, sagt die Mutter mit einem Vorwurf in der Stimme. Aber sie hat keine Ahnung, weil es einfach nicht stimmt. Das rosa Stoffschwein hat einen Namen, aber den sagt die Mama nie.
„Du bist erwachsen“, sagt die Mutter, „Erwachsene brauchen keine Stofftiere!“
Was für ein Unsinn, denkt Marlene. Sie hat eine Biografie eines bekannten Regisseurs aus dem letzten Jahrhundert gelesen, der mit einem Stoffaffen zusammengelebt und ihm sogar Briefe geschrieben hat.
Sie hat alle seine Filme gesehen: Der Tiger von Eschnapur, M - eine Stadt sucht einen Mörder bis zu den Mabuse Filmen, die sie am meisten beeindruckt haben.
Kind, jung, erwachsen, alt, damit kann sie überhaupt nichts anfangen. Das Leben ist ein Abenteuer, das jeden Tag neu beginnt.
„Aus Erfahrung wird man klug“, hat die Großmutter gesagt.
Warum?
Stimmt doch nicht!
Manchmal muss man Dinge wiederholen, bis sie klappen.
Wie oft ist sie vom Fahrrad gefallen, hat sich die Knie aufgeschlagen. Während die Eltern entsetzt die Arme in die Höhe gerissen haben, ist sie wieder aufgestanden, um einen nächsten Versuch zu starten. Marlene ist immer wieder aufgestanden, bis sie es geschafft hat, geradeaus zu fahren.
Aber so ist es mit allen Dingen. Sie spielt gerne Klavier, obwohl es ihr niemand beigebracht hat. Sie tanzt gerne wie eine Ballerina und singt wie eine Opernsängerin.
Dennoch ist sie hier und dazu verurteilt an die weiße Decke mit dem blinkenden Rauchmelder zu starren. Langeweile, was für ein zähes Wort.
„Mannstoll!“, haben Großvater und Onkel im Chor gesagt. Dabei sind sie es doch gewesen, die sie an Stellen berührt haben, die ihr unangenehm gewesen sind.
Mannstoll hat sie gegoogelt und bei der Erklärung nichts Böses entdecken können. Ja, sie liebt Jungs, vor allem, wenn sie schöne Augen haben und nett sind. Arschlöcher erkennt sie auf hundert Meter. Manchmal auch an ihrem Parfüm.
Zusammen mit dem rosa Stoffschweinchen an die Decke zu starren, fühlt sich gut an.
Wir haben denselben Traum gehabt, gibt es etwas Schöneres?
Die Stunde nach dem Frühstück ist zäh wie ein Kaugummi. Ausgestreckt auf dem Bett liegt sie da und starrt an die Decke. Gleich muss sie wieder zur Schwimmgymnastik, Stoffmalerei und zu all dem anderen Stuss, der nur ablenkt. Marlene ist fast Ende zwanzig und wird immer noch wie ein Kind behandelt.
„Ha-ha-haste mal ne Zigarette“, kommt Markus ins Zimmer gestürmt.
„Kannst du nicht anklopfen? Ich hätte nackt sein können“, erwidert Marlene ohne den Blick von der Decke zu lassen. „Jeden Tag das Gleiche. Du weißt genau, dass ich nicht rauche!“
„Ich muss sie all-all-alle fragen. Darf kei-kei-keinen vergessen!“ Dann ist Markus wieder verschwunden.
Marlene hört, wie er in das nächste Zimmer stürmt.
„Ha-ha-haste mal ne Zigarette!“
„Tür zu!“, ruft Marlene ihm nach, ohne eine Reaktion zu bekommen. Sie rollt sich aus dem Bett und schlurft zur Tür.
„Tür zu!“, ruft Gabi aus dem Nachbarzimmer.
„Ha-ha-haste mal ne Zigarette!“
Markus ist längst eine Tür weiter.
Marlene geht zum Fenster, das mit Kaninchendraht geschützt ist.
„Damit keine Vögel in dein Zimmer fliegen“, hat die Mutter gesagt und damit zum wiederholten Mal bewiesen, was für eine schlechte Lügnerin sie doch ist.
Ein Krankenwagen steht vor der Aufnahme. Zwei Pfleger schieben einen Mann mit bandagiertem Kopf aus dem KTW. Er hat einen melierten Dreitagebart und lässt ihn für Marlene wie einen Abenteurer erscheinen.
Zurück auf dem Bett träumt sie sich in den hintersten Winkel des Dschungels von Neuguinea. Sie hört die Lock- und Warnrufe der Papageien und der anderen Paradies- und Wildvögel, deren Namen sie nicht kennt. Zusammen mit dem Abenteurer schlagen sie mit großen Macheten eine Schneise in den Urwald.
Was suchen sie?
Marlene überlegt einen Moment.
Ja, natürlich! Einem Schatz sind sie auf der Spur. Dafür müssen sie die verborgene Stadt finden, die seit über tausend Jahren einem Dornröschenschlaf erlegen ist. Das Tropenhemd des Abenteurers weist überall dunkle Schweißflecken auf. Ab und an dreht er sich um. Seine stählernen blauen Augen dringen tief in Marlenes Seele. Sie könnte tanzen vor Freude, wäre da nicht der Tiger, der plötzlich aus dem Unterholz springt und sich zwischen sie stellt. Der Abenteurer hält den Zeigefinger vor den Mund. Marlene gehorcht, nimmt ihren ganzen Mut zusammen und bringt keinen Ton heraus. Langsam geht der Abenteurer auf das gewaltige Raubtier zu. Es ist der stählerne Blick, der den Tiger zu Boden zwingt. Er rollt sich demütig auf den Rücken und ergibt sich dem Abenteurer.
Marlene steigt in ihrem rosa Kleid tänzelnd über das Tier, das keinen Mucks von sich gibt und lässt sich in die starken Arme des Abenteurers fallen. Der melierte Bart gibt einen Mund frei, der zum Küssen bereit ist. Wie zwei Magnete kommen die Münder aufeinander zu. Was für ein...
„Schwimmgymnastik!“, ruft eine Stimme, die für den Bruchteil einer Sekunde, den Kopf in das Zimmer steckt.
Hoffentlich hat sie nicht gesehen, wo meine Hände waren, denkt Marlene und verzieht den Mund.
„Wir bekommen einen Neuzugang“, sagt die Pflegerin mit den unzähligen Piercings im Gesicht und der seltsamen Frisur: auf der einen Seite Stoppelhaar, auf der anderen ein Zopf, zu der Kollegin, der Zweimeterfrau.
„Wird gerade unten untersucht. Das ganze Programm. Soll vom Dach gefallen sein, nachdem man ihm in den Kopf geschossen hat!“
„Seit wann sind wir für das Gemüse zuständig?“, fragt die Zweimeterfrau.
Marlene ist vor dem Schwesternzimmer mit ihren Badesachen stehengeblieben und lauscht. Ob die beiden von dem Abenteurer reden?
„Du weißt doch wie die Langbein ist, die will die ganze Welt retten!“
„Und wir haben die Arbeit!“
Es muss der Abenteurer sein, denkt Marlene trotzig, verlässt die Station und schreitet über die verglaste Brücke, die Haus IV mit dem Hauptgebäude verbindet, Richtung Schwimmbad.
Eins, zwei, drei,...Thorsten zählt die Leuchtstoffröhren an der Decke. Wenigstens der Kopf funktioniert noch. Er weiß nicht, wie lange er schon auf dem Rücken liegt, aber es muss eine Ewigkeit her sein. Neuer Planet, neue Chance, denkt er und versucht ein Lächeln. Keine Ahnung, ob sich in seinem Gesicht etwas bewegt. An der Geschwindigkeit, wie ihn die beiden Weißkittel durch die Gänge schieben, kann er erkennen, dass es nicht so schlimm um ihn bestellt sein kann.
Von weit her hört er Laute, die er nicht deuten kann. Etwas Warmes streichelt seinen Unterarm. Wieder ein Wort, dass durch den Briefschlitz in den Flur seines Inneren fällt.
Für einen kurzen Moment schwebt er, dann spürt er etwas Hartes unter sich. Dann geht es rückwärts, das durch ein lautes Hämmern begleitet wird. Er schließt die Augen. Dunkelheit. Nichts.
Mit vollem Anlauf springt Marlene in ihrem rosa Badeanzug in das warme Nass des Schwimmbeckens, dreht sich so, dass sie beobachten kann, wie das Wasser bis zur Decke spritzt.
„Ach Marlene!“, hört sie die Physiotherapeutin klagen.
Dann taucht sie unter und wendet sich hin und her wie ein Delphin.
Delphine sind keine Fische, das weiß nicht jeder. Wenn Marlene sagt, dass Delphine Säugetiere sind, wird ihr oft ein Vogel gezeigt. Warum ist das so?
Bei jedem anderen würden sie zustimmend nicken.
Mongo hat mal einer auf dem Schulhof zu ihi gesagt und da hat sie zugeschlagen. Vier Tage lang hat ihr die Hand wehgetan und es hat mindestens eine Woche gedauert, bis der Abdruck des Schneidezahns des vorlauten Paul Schrader von der Handkuppe des Mittelfingers verschwunden gewesen ist.
Über zwei Minuten kann Marlene unter Wasser bleiben. Sie genießt die Stille und die Schwerelosigkeit. Kurz bevor sie auftaucht, öffnet sie weit den Mund und stößt einen stummen Schrei aus, den nur die Delphine hören können.
„Wo sind denn die anderen?“, fragt die Physiotherapeutin, als sie wieder auftaucht.
Marlene zuckt mit den Schultern und greift nach einer Schwimmwurst, wie sie die langen bunten Stangen getauft hat, die wie Knetgummi für Riesen aussehen. Fast zwanzig Kilo hat sie hier unten mit Wassergymnastik im warmen Pissbecken schon abgenommen. Der einzige Anker in der trostlosen Langeweile.
Während der Übungen hält Marlene die verglaste Brücke im Auge, die das Haupthaus, in dem in Parterre das Schwimmbad liegt, mit Haus IV verbindet.
Der Abenteurer wird sicherlich noch bei den Untersuchungen sein. Wenn er auf ihre Station kommen soll, dann muss er über diese Brücke.
„Das wäre es denn für heute“, sagt die Übungsleiterin.
Das kann nicht sein, denkt Marlene, ich bin doch höchstens erst fünf Minuten im Becken. Die große Uhr an der Wand zeigt etwas anderes an.
„Können wir heute nicht länger machen?“, quengelt sie.
„Tut mir leid Marlene, aber heute geht es wirklich nicht. In einer Stunde kommt die nächste Gruppe und ich muss noch einiges vorbereiten!“
Der Assistenzarzt aus Haus VII, Station 3c, ist ihre Vorbereitung. Einmal hat Marlene durch den Türspalt zum Übungsleiterzimmer alles sehen können. Da hätten selbst Karnickel etwas dazu lernen können.
„Wenn du willst, kannst du noch eine halbe Stunde bleiben. Du kennst ja die Übungen!“
Marlene nickt wie ein Kind und lässt sich nach hinten fallen. Schwerelos zu sein ist ein schönes Gefühl.
Der Schmied hat seine Arbeit eingestellt. Sofort sind die weißen Schmetterlinge wieder da, die über seinen Kopf hinwegrauschen.
Die Augen blinzeln. Von beiden Seiten tauchen schwarze Schatten auf, die die weißen Schmetterlinge in Motten verwandeln. Zwei Sonnen steigen am Himmel auf und verwandeln alles in ein gleißendes Licht.
„Der Nagel ist zum Glück nicht gewandert“, sagt die Kollegin aus der Radiologie.
„Eine OP würde ich jetzt noch nicht vorschlagen. Die Schädelplatten sind zwar alle recht gut wieder zusammengewachsen, aber ein halbes Jahr würde ich noch warten“, erwidert die Oberärztin Christiane Langbein, die flüchtig das Dossier in ihren Händen überfliegt.
„Ein Wunder, dass er den Sturz aus dieser Höhe überhaupt überlebt hat. Allein der Schuss in den Kopf hätte tödlich sein können!“
Ein Rauschen im Kopf. Die Schallwellen, die durch sein Ohr dringen, kann er nicht deuten, ergeben keinen Sinn. Die beiden Sonnen sind verschwunden. Er hat es gar nicht bemerkt. Erst als der doppelte Schmetterling auf seiner Nase zu kitzeln begonnen hat.
„Bringen Sie ihn auf die Station. Ich schaue am Abend noch mal nach ihm“, sagt Dr. Langbein zu den beiden Pflegern und legt die Akte des Patienten auf seinen Schoß.
Sie hat schlimmere Fälle gehabt. Auch welche, denen sie jeden Tag begegnet. Wie Silvia, das siebzehnjährige Mädchen, dass sich vor zwei Jahren auf die Gleise gelegt hat, weil ihr erster Freund mit ihr Schluss gemacht hat. Wenn man die Liebe abschafft, wäre vielen geholfen, denkt sie manchmal verbittert. Meistens dann, wenn sie auf dem kleinen Balkon des Ärztezimmers steht und eine Zigarette raucht. Jedes Mal, wenn Silvia im Rollstuhl an ihr vorbei fährt, bis zu den Oberschenkeln amputiert, könnte sie kotzen. Keine Liebe ist das wert, schon gar nicht die zu einem Mann.
Alles ist in Bewegung, der Planet auf dem er lebt, dreht sich eben, mal schnell und mal langsamer. Unter ihm ruckelt es. Vielleicht ein Vulkan, der es satt hat, sein Unwesen unter der Erde zu treiben.
Vulkan, ein schönes Wort, das er direkt durch den Türschlitz in seinem Inneren fallen lässt.
Wo bin ich? Wer bin ich? Was macht mich aus?
Er stellt sich Fragen, was für ein tolles Gefühl. Nur wenn er die Augen schließt, bleibt Dunkelheit. Nichts.
Wie ein Buckelwal schießt Marlene aus der warmen Chlorbrühe nach oben. Unten auf dem Kachelboden hat sie durch ihre Schwimmbrille geblinzelt und eine Karawane auf der verglasten Brücke gesehen, die vom Haupthaus Richtung Haus IV zieht.
Der Abenteurer, schießt es ihr durch den Kopf. Sie schüttelt ihr Haar, reißt sich in der Luft die Schwimmbrille vom Kopf.
Tatsächlich, der Abenteurer wird von zwei Pflegern in einem Bett Richtung Haus IV geschoben. Sie reibt sich die Augen. Ja, das ist er! Dreht er nicht jetzt den Kopf zur Seite und schaut auf sie herunter?
Na klar macht er das.
Soll sie winken?
Unsinn! Ihr klarer Blick wird ihn treffen und tief in ihn eindringen.
Mit einer Leichtigkeit ist sie aus dem Wasser. In schnellen tapsigen Schritten hat sie die Umkleidekabine erreicht. Ohne sich abzutrocknen, zieht sie sich an. Wenn sie sich beeilt, ist sie vor ihm auf Station 2b.
Eine Frau um die dreißig versperrt ihr mit einem großen Rollkoffer und einer Reisetasche vor dem Aufzug den Weg.
1.KG leuchtet auf.
Warum geht es nicht weiter? Soviel ist da unten auch nicht los.
Warum schließen die Aufzugstüren nicht oder hat die Frau mit dem vielen Gepäck nicht gedrückt?
Marlene lugt an einem Designermantel vorbei, der nach Rosenwasser und Vanille stinkt. Der Pfeil, der nach oben zeigt, leuchtet grell.
Wahrscheinlich ist der linke Aufzug kaputt, aber warum kommt der rechte nicht, der immer so nach Pisse stinkt, weil zwei Bekloppte von 5b mindestens dreimal am Tag reinpinkeln.
Was wollen sie damit sagen? Was ist ihr Statement für die Welt?
Marlene weiß es nicht und will es auch gar nicht wissen.
Mag sein, dass sie etwas neugierig ist, aber alles will sie auch nicht aus dem Dunklen ins Licht führen. Die beiden Pinkler gehören mit Sicherheit dazu.
Zu ihrem Leidwesen muss sie jetzt die Treppe nehmen. Ihre Füße haben eine leichte Deformation. Früher nannten sie es Spitzfüße.
Dabei ist es nur eine Fehlstellung der Ferse. Gut, sie kann den Fuß nicht so richtig abrollen, aber auch andere Menschen haben irgendetwas, das ihnen an sich nicht gefällt. Gut, die Füße sind ihre Achillesferse. Bei dem Vergleich muss sie innerlich lachen, obwohl der Treppenaufstieg für sie mühselig ist. Im Grunde steigt sie mit den Armen nach oben, die sich am Geländer festklammern und nach oben ziehen.
Schnaufend erreicht sie nach einer gefühlten Unendlichkeit die zweite Etage.
Verdammt, wieder ist diese Frau, die überhaupt nicht hierher passt, vor ihr. Um das Unglück komplett zu machen, kommen ihr die beiden Pfleger, die das Krankenbett des Abenteurers geschoben haben, entgegen. Er ist also schon da.
2a oder 2b? Das ist die Frage.
Die Panzerglas gesicherte Doppeltür zur geschlossenen Station hat etwas bedrohliches. Sie erinnert Marlene an eine Verliestür in einer Burg, hinter der ein trauriger Drache sein Dasein fristet. Wenn sie beim Vorbeigehen mit den Augen blinzelt, glaubt sie große Spinnweben wabern zu sehen, als hätte man die Tür für immer verschlossen.
In der Teeküche der Station 2b ist eine Diskussion entbrannt. Die Frau mit dem großen Rollkoffer und der Reisetasche möchte einen Schlussstrich ziehen.
„Das nehme ich auf keinen Fall wieder mit. Ein Jahr ist wirklich genug. Mehr kann man von mir nicht verlangen. Das wird doch nichts mehr. Ich möchte gerne Kinder haben, eine Familie gründen!“
Marlene, die im Flur der offenen Station stehengeblieben ist, glaubt ihr kein Wort. Du mit deinem Rosenwasser und Vanilleduft warst niemals im Dschungel von Neuguinea, hast ihn immer allein gelassen, hast dir die Hände oder andere Körperteile niemals schmutzig gemacht.
„Wir können das nicht annehmen“, erwidert die Pflegerin mit den vielen Piercings.
„Warten Sie bis Frau Dr. Langbein auf die Station kommt“, erwidert Ruth, die Zweimeterfrau, die ursprünglich aus Schweden stammt.
„Hören Sie, ich habe nicht die Zeit, mich hier länger aufhalten zu können. Im Koffer und in der Tasche ist alles drin, was er braucht.“
Marlene formt die Hände zur Faust. Was für ein Arschloch. So eine hat der Abenteurer nicht verdient.
Mit der ist kein Staat zu machen, der Spruch ihres Großvaters fällt ihr ein, obwohl ihr die Sinnhaftigkeit fremd ist. Soll die Tussy doch verschwinden und alles dalassen. Die Alte braucht keiner, der Abenteurer am wenigsten. So eine legt den Hinterhalt mit dem niemand rechnet.
Marlene lehnt an der Flurwand der Station 2b und lauscht den keifenden Frauen. Sehsüchtig wartet sie auf Christiane, die Oberärztin, die ein großes Herz hat und alles regeln kann.
Stampfend verlässt die Tussy ohne Koffer die Teeküche und die offene Station.
„Ha-ha-haste mal ne Zigarette!“, stellt sich ihr Markus in den Weg.
„Verpiss dich du Wichser!“
In der Krise zeigt der Mensch sein wahres Gesicht, denkt Marlene und muss an die weisen Sprüche des Großvaters denken.
Nach dem Abendessen im Gruppenraum liegt Marlene auf dem Bett und wartet auf den Dienstwechsel des Pflegepersonals.
Otto, der Weißrusse, wird die Nachtschicht übernehmen, das kann Marlene auf ihrem Smartphone ablesen, denn sie hat den kompletten Dienstplan für den Monat abfotografiert.
Viele Schritte und Gemurmel auf dem Flur, die Raucher machen sich auf den Weg nach draußen.
Jetzt wäre es eine gute Möglichkeit, um unbemerkt in das Zimmer des Abenteurers zu gelangen. Außer ihr und Otto ist niemand mehr auf Station.
Sie lauscht an der Tür, nichts ist zu hören. Lautlos drückt sie den Hebel nach unten und schaut nach links und nach rechts. Die Luft scheint rein zu sein.
Die offene Station 2b hat einen Flur wie ein auf den Kopf gestelltes L. Marlene hat das strategisch beste Zimmer, wie sie findet. Es liegt genau in der Ecke. So kann sie beide Flure einsehen. Am Ende des Flurs, am unteren L liegt das Zimmer für die Neuankömmlinge, daneben befindet sich das Arztzimmer. Sie schaut nach rechts, niemand ist auf dem Flur zu sehen, der in die Freiheit führt. Barfuß tapst sie das untere L entlang und öffnet am anderen Ende leise die Tür.
Schmetterlinge. Viele Schmetterlinge. Unzählige weiße Schmetterlinge fliegen durch eine unwirkliche Landschaft aus blassen Pastellfarben. Nichts ist so, wie er es einmal gekannt hat. Das Moos in dem er liegt, ist weiß und fühlt sich wie Watte an. Wer wird das Rennen gewinnen, die Wolken oder die Schmetterlinge?
Eine weiße Nacktschnecke streift seine Wange und fühlt sich gut an.
„Ich werde immer für dich dasein“, flüstert Marlene dem Mann ins Ohr, der lächelnd an die Decke starrt.
Mit großen Augen gibt sie ihm einen nassen Kuss auf Wange und Mund.
Abendmahl
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Prolog
Obwohl alle Fensterläden des Hauses geschlossen waren und eine Klimaanlage für ein gleich bleibendes blechernes Geräusch sorgte, waren die Stimmen aus den Lautsprechern bis in den Wohnraum zu hören, - einem großen Zimmer, in dem auch ein Bett stand. Der Mann klopfte mehrmals gegen den kleinen tragbaren Fernseher, aber die Batterien hatten nun endlich ihren Geist aufgegeben. Mit ruhiger Hand öffnete er die Klappe auf der Rückseite und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen: chinesische Billigware. Kein Wunder das die Aktien in den Keller gingen. Mit knochiger Schrift schrieb er Batterien auf einen Zettel auf dem bereits das Wort Äpfel stand. Seit Wochen hatte er Heißhunger auf Äpfel, aber Leila, seine Zugehfrau brachte ihm einfach keine mit.
»Es gibt keine Äpfel«, äffte er sie nach und schlug wie sie, die Arme über dem Kopf zusammen. Dann brach er in Lachen aus, worauf er die Batterie fallen ließ, die auf dem Steinboden unter das Bett rollte.
Zum Glück war er gut in Schuss. Sieben Mal am Tag machte er Übungen. Nur in einem gesunden Körper steckt auch ein gesunder Geist. Hätten sich die Römer an ihre eigene Weisheit gehalten, ihre Weltherrschaft hätte niemand brechen können. An der Verweichlichung geht der Mensch zu Grunde, das war schon immer so. Nur die wahren Ideen und Visionen bleiben schlank und jung. Angefangen mit den zehn Geboten. Nicht mehr oder weniger hat es, hätte es gebraucht. Aber der Mensch wird mit der Zeit träge und sucht nach Entschuldigungen. Und plötzlich ist aus der Gesetzestafel ein mehrbändiges Gesetzbuch geworden, das niemand mehr versteht, es aber so auslegt, wie er es gerade gebrauchen kann.
Der Mann stand vom Bett auf und machte ein paar Dehnübungen. Vielleicht hätte er doch noch das Universalbuch über den Menschen schreiben sollen. Er hatte Zeit, unendlich viel Zeit.
Dann bückte der Mann sich bis zum Boden. Alles geschah aus einer fließenden Bewegung heraus, so als würde er eine Yogaübung absolvieren. Vergebens tastete er nach der Batterie, sie musste unter das Bett gerollt sein.
Obwohl er sich nur langsam bewegt hatte, wirbelten Staubpartikel durch die Luft.
Zum Glück waren die Lautsprecherstimmen verstummt. An das blecherne Geschrei hatte er sich nach all den Jahren nicht gewöhnen können. Er hatte großen Einfluss in der Stadt, aber das abzustellen, nein, da war selbst er nicht zu in der Lage. Er verglich, wenn er mit Freunden zusammen war, die Situation mit einem Bauernhof, wo man ja auch die Idylle genoss und dafür die Fliegen und den Gestank in Kauf nahm.
Eine große Runde war das immer gewesen, bis ein Freund nach dem anderen gestorben war. Jetzt war er allein in der großen Stadt, obwohl es Gerüchte gab, dass der oder die auch noch in der Stadt verweilten. Er hielt das für Unfug. Wichtigtuerei irgendwelcher möchtegern Journalisten. Alle waren sie tot, er war der letzte. Mochte die internationale Presse auch noch soviel Unsinn in die Welt setzen.
Verdammt, irgendwo musste die Batterie dich sein. Die Aktien waren dramatisch gefallen, das hatte er noch sehen können, dann hatte die Apparatur den Geist aufgegeben. Irgendetwas lief zu Hause aus dem Ruder und er musste ein Machtwort sprechen. Er könnte sich in das nächste Flugzeug setzten, in ein paar Stunden wäre er zu Hause. Der Mann öffnete die oberste Schublade. Da lag er der Passport. Nein, seine Papiere waren in Ordnung.
Der Mann ging auf die Knie und legte sich neben das Bett. Die Kälte, die von den Steinplatten des Bodens ausging, tat ihm gut. Früher hatte er immer Angst vor der Kälte gehabt. Aber hier war er froh über jede Art an Abwechslung.
Geschmeidig drehte er sich zur Seite und schaute auf Wollmäuse, tote Insekten, ein paar Brotkrumen und Essensreste. Aber es war etwas anderes, das seine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Die Batterie lag zum Greifen nah, Made in Taiwan glaubte er im Halbdunkel zu entziffern. Dahinter lag etwas schwarzes Bekanntes. Eine feine Staubschicht hatte sich darüber gelegt. Der Mann streckte den Arm aus und machte die Finger lang. Mehr als eine Berührung war nicht möglich. So blieb ihm nichts anders übrig als fast zur Gänze unter das Bett zu kriechen. Ein mehrbeiniges Getier mit lang gezogenem Körper zur Gruppe der Spinnen gehörend, ergriff die Flucht und verschwand hinter einer Kommode. Immer mehr rutschte der Mann unter das Bett, kämpft sich Millimeter um Millimeter hat das Objekt heran. Hätte er sich in diesem Moment im Spiegel gesehen, wahrscheinlich hätte er sich nicht einmal selbst erkannt. Fest griff er nach dem verstaubten Gegenstand einer Beretta 1931. Durch das Gewicht spürte er, dass die Waffe geladen war. Mühselig kroch er unter dem Bett hervor und klopfte sich den Staub von den Kleidern, ohne dabei die Waffe loszulassen. Wie war sie bloß unter das Bett gekommen? Wie lang war es her, dass er Angst gehabt hat?
Als er sich aufrichten wollte, passierte es. Die Musketiere, mindestens drei an der Zahl stießen mit den Degen zu. Immer und immer wieder durchbohrten sie seinen Körper, bevor sie sich auf die Pferde schwangen und davon ritten. Der Mann rollte sich auf den Rücken und versuchte gleichmäßig zu atmen. Die Schmerzen in seinem Bauch waren unerträglich. Noch hatte er die Waffe in der Hand. Wenn er die Pistole richtig ansetzte, würde er noch nicht einmal mehr den Schuss hören. Stattdessen starrte der Mann an die Decke. Trotz der unerträglichen Qual in seinem Leib, brachte sich der Mann durch die gleichmäßige Atmung in eine Art Trance. So lag er auf dem Rücken und starrte durch die Decke des großen Zimmers, in dem das Bett stand. Dahinter befand sich eine Treppe, die auf eine große Terrasse führte, auf der die Frauen die Wäsche aufhängten und auf der die Antennen installiert waren. Darüber gleißende Sonne. Im blauen Himmel hinterlassen ein paar Flugzeuge weiße Kondensstreifen. Mit der Schwerelosigkeit wird es dunkel im unendlichen Raum. Nur in den Teleskopsegeln der um sich selbst drehenden Satelliten, blitzt ab und an die Sonne auf. Fotos werden geschossen. Auch von der Stadt da unten, die von oben wie ein gigantisches Schneckenhaus aussieht.
Silvesternacht
Mit einem Zischen schließen sich die Türen. Ein Rucken geht durch den ganzen Zug. Dann setzt sich der Elektromotor mit einem sirenenähnlichen Geräusch in Gang. Die roten Doppellichter auf beiden Seiten am Ende des Zuges bekommt das Mädchen nicht mehr zu sehen, das außer Atem die Treppe der Hochbahn erklommen hat. Die junge Frau atmet wie ein Pferd: aus Mund und Nase presst sie die warme Luft, die sofort in der klirrenden Nachtluft verdampft.
Anna Maschke mag den Winter nicht.
»Nee, det Kalte is nischt für mir«, pflegt sie gewöhnlich in dieser Jahreszeit zu sagen, wenn sie das Haus ihrer Herrschaft verlässt und ihren warmen Atem gegen die knochenweißen Finger pustet.
Was für ein schöner Sommer ist das gewesen. Alle Jungs hätte sie haben können, selbst diesen eingebildeten Gockel, den Sohn ihrer neuen Herrschaft. Anfassen ja, aber nicht mehr. Das weiß sie von der Erna, der Irmgard und der Edeltraud, die alle nicht mehr aus und ein wissen mit ihren Blagen in diesen schlechten Zeiten.
Ich spare mich auf, sagt sich Anna Maschke und dreht sich zur Seite, um nicht in den Fahrtwind des einfahrenden Zuges zu geraten. Dann springt sie in den zweiten Waggon, in dem nur wenige Fahrgäste sitzen.
Sie dampft wie ein Pferd, denkt die Gestalt, die unbemerkt aus dem Schatten der Bogenlampe getreten ist und lautlos die hintere Tür des Waggons betritt.
Anna Maschke sitzt am Fenster und schaut in die finstere Nacht hinaus. Alle Welt muss sparen, denkt sie und atmet tief durch. Nackt ist sie im Sommer in die Krumme Lanke gesprungen, hat die Jungs geküsst, aber sonst ist alles »protestantisch« geblieben.
Quietschend ruckelt die Hochbahn über die Gleise und bedient die Außenbezirke.
Mit einem Zischen öffnen sich die Türen, mit einem Zischen schließen sie wieder. Dann ist nur noch das laute Summen des Elektromotors zu hören. Siemens & Halske steht auf der polierten Messingtafel.
Der Mann hinten im Waggon döst vor sich hin. Zumindest sieht es so aus. Die Augen geschlossen mit aschfahlem Gesicht, nur das dünne Oberlippenbärtchen glänzt schwarz, als sei es eben erst frisch mit Schuhwichse eingerieben worden. Bei genauem Hinsehen passt der Mann, der vorgibt zu schlafen, überhaupt nicht in die S-Bahn. Aber wem, außer Anna Maschke sollte das auffallen? Aber das Hausmädchen schaut aus dem Fenster, in dem sich ihr rundes Kindgesicht widerspiegelt.
Noch sieben Mal werden sich die Türen öffnen und schließen. Dann wird der erste Außenbezirk erreicht sein. Dort wird das Mädchen aussteigen und den vorderen rechten Abgang nehmen. Nach siebzehn Schritten wird sie die Straße erreicht haben. Sie wird nach links schauen in ein schwarzes Nichts, wo nur jemand mit guten Augen die Umrisse einer Remise erkennen kann. Dann wird das Mädchen nach rechts schauen, wo in genau 190 Metern die erste Straßenlaterne steht. Ganz allein zum Nutze das Straßenschild von Berlin anzuleuchten. Erst dreihundert Meter weiter steht das erste Haus, das einem gewissen Kaspari gehört, der seit mehr als dreißig Jahren für die Berliner Verkehrsbetriebe als Streckenposten arbeitet. Etwa zehn Meter hinter und drei Meter seitlich vom beleuchteten Straßenschild steht eine große Holzkiste, die mit Streugut gegen eisglatte Straßen gefüllt ist. Der Deckel ist stets unten und mit einem großen Vorhängeschloss gesichert.
Der Mann, der zusammen mit Anna Maschke die S-Bahn verlassen hat, steckt seine Hände zum Schutz vor der Kälte in die Tasche. Die linke Hand spielt mit einem Schlüssel, der zu einem Vorhängeschloss gehört.
Nein, Anna Maschke mag den Winter nicht. Sie freut sich auf den Frühling und träumt vom Sommer. Nächstes Jahr wird es passieren. Drei Jungs stehen da zur Auswahl. Ähnlich verhält es sich mit den Seen. Seit Tagen grübelt sie, wo es denn passieren soll: Wannsee, Krumme Lanke oder doch der Schlachtensee. Überall gibt es lauschige verschwiegene Plätzchen, die dazu einladen.
Anna Maschke hat die Straße erreicht. Sie schaut nach rechts und glaubt an der im Dunkel liegenden Remise ein Auto stehen zu sehen. Wenn sie nicht alles täuscht, ist es ein kleiner Lastwagen mit weißer Lackierung.
Na ja, geht mich nichts an, wer da nachts seinen Wagen bei der Tankstelle abstellt. Vielleicht ist es einer dieser Benzindiebe, davon hat sie erst letzte Woche in der Zeitung gelesen.
Ein feiner Raureif hat sich über die Straße gelegt. Spätestens in einer Stunde ist die Straße spiegelglatt. Wie gut, dass sie die vorletzte Bahn genommen hat. Die Lederstiefel, die sie zum Geburtstag von ihrer Herrschaft bekommen hat, hallen bei jedem Schritt nach, so als würde sie durch einen Tunnel gehen.
Anna Maschke macht ein paar Schritte, dann bleibt sie stehen, geht wieder ein paar Meter und stockt dann abrupt. Da ist doch was!
Da ist das Echo ein paar Schritte weiter als sie gegangen!
Abrupt dreht sie sich um, aber da ist außer einer grauen Wand aus Luft nichts zu sehen. Selbst die Remise ist von der Dunkelheit verschluckt worden.
Du liest zuviel, versucht sie sich zu beruhigen. Zeitungen und diese Groschenromane, wo es erst am Ende mit dem Dienstmädchen gut ausgeht. Der Vater hat Zeitungen und Bücher in den Ofen geschmissen und als Teufelszeug verflucht. Die Mutter hat damit die Schuhe ausgestopft. Nur ihre Herrschaft besteht darauf, dass sie Zeitungen und Bücher liest. Die Frauenleiche am Bahndamm, darüber hat sie gelesen, und dass die Polizei einen Förster verhaftet hat, da der Leichnam der Frau vollkommen ausgenommen worden ist.
Anna Maschke will und kann sich das gar nicht vorstellen. Auch die Frau nicht, die Fischer erst im Spätherbst aus der Krumme Lanke gezogen haben. Glubschaugen soll sie gehabt haben wie ein Frosch und aufgebläht der Körper, dass Feuerwehrleute vor einer Gasexplosion gewarnt haben. Manchmal finden Wanderer Knochen im Wald oder Tiefbauarbeiter in der Kanalisation der Stadt Reste, die von einem Menschen stammen könnten.
»Es heißt, die Bestie verschlinge nur Jungfrauen«, hat die Erna vom Gerichtspräsidenten Dorothal gesagt, worauf alle bis auf die dicke Marie gelacht haben.
Bei Anna Maschke ist es der Hausherr selbst gewesen, Medizinalrat Dr. Schmieder. In der Garderobe, neben dem Eingang und der Treppe, die nur geöffnet wird, wenn Gäste das Haus bevölkern. Am zweiten Tag ist das gewesen. Als der Herr Dr. Schmieder ihr das Haus gezeigt hat. Muffig hat es in dem Raum ohne Fenster gerochen - nach altem Pelz und Mottenkugeln. Bücken hat sich die Anna müssen und er ist ohne Vorwarnung von hinten in sie eingedrungen. Weh getan hat es nicht, aber eine Gänsehaut oder Wallung, von einem Prickeln ganz zu schweigen, hat es auch nicht gegeben. Seinen heißen Atem hat sie bis auf den nackten Rücken gespürt, auch den Seiber aus seinem Mund, der ihr auf die linke Pobacke geklatscht ist. Dann ist er fertig gewesen und sie hat sich wieder aufrichten dürfen.
»Das verrechnen wir extra«, hat er ihr außer Atem zugeflüstert. Vierzehn Jahre ist da die Anna Maschke gewesen. Drei Abtreibungen liegen bis heute dazwischen. Ganz schön praktisch einen Arzt im Haus zu haben.
Im Grunde aber ist sie noch Jungfrau. Denn aus Liebe hat sie noch mit keinem Mann geschlafen.
Anna Maschke überlegt sich, ob sie eine Zigarette rauchen soll. Warum eigentlich nicht? Aus einem silbernen Etui, das sie ihrer Herrschaft entwendet hat, zieht sie eine Muratti.
Ausnehmen soll die Bestie die Mädchen wie eine Forelle, aber davon steht nichts in der Zeitung. So was erfährt man normalerweise bei Kasulkes oder Bolle. Aber diesmal hat sie ein Gespräch im Herrensalon mit angehört. Dr. Schmieder hat seinem Besuch davon berichtet und ihm Einzelheiten von den Leichenfunden erzählt.
»Es muss einer von uns sein«, hat der Doktor gesagt und mit uns hat er mit Sicherheit die Charité gemeint. Der Besuch hat nur gelacht und mit einem geschickten Stoß die Billardkugel über Bande zu einer Berührung mit den beiden anderen Kugeln bewegt.
Wenige Tage später hat der Doktor einen weiteren Besuch bekommen. Leon ist sein Vorname gewesen, daran kann sich Anna Maschke genau erinnern.
Nur noch wenige Schritte dann hat Anna Maschke die Straßenlaterne erreicht, die das Stadtschild von Berlin beleuchtet. Sich nicht umdrehen, immer schön nach vorne schauen und bloß keine Angst zeigen, denkt die junge Frau, die noch keine zwanzig Jahre alt ist. Ein wildes Tier wie diese Bestie kann die Angst riechen, dessen ist sie sich sicher. Im Sommer werde ich mich verloben und im Oktober heiraten, dann bin ich ohnehin außer Gefahr. Denn die Bestie reißt nur Jungfrauen. Und so ein Verlobungsring am Finger ist besser als jede Versicherung.
Kurz bevor Anna Maschke in den Lichtkegel der Straßenlaterne tritt, sieht sie die geöffnete Klappe der Streugutkiste. Noch nie hat sie die Kiste der Straßenwart offen stehen gesehen. Instinktiv dreht sie sich um und schaut auf ein schwarzes dünnes Oberlippenbärtchen. Sie möchte schreien, aber es gelingt ihr nicht. Mit weit aufgerissenen Augen sieht sie, wie an der Remise die Scheinwerfer eingeschaltet werden und der weiße Lastwagen sich langsam in Bewegung setzt. Glück muss der Mensch haben, denkt sie und fuchtelt mit den Armen. Hat die Mutter nicht immer behauptet, dass sie einen guten Schutzengel hat?
Der Mann mit dem Oberlippenbärtchen hat geschickte und gepflegte Finger. Mit nur einer Hand packt er ihren Hals und drückt so zu, dass sie gerade noch atmen kann, aber nicht mehr traut sich zu bewegen.
Konzertpianist fällt Anna Maschke noch ein, da sieht sie schon den weißen Lappen, der süßlich riecht.
Für den Bruchteil einer Sekunde spürt die junge Frau eine nie gekannte euphorische Leichtigkeit. Eine Glückseligkeit durchfährt ihren Körper. Dass sie Wasser lassen muss, merkt sie schon nicht mehr. Schlaff hängt sie in den Armen des Mannes, den der andere, der gerade aus dem weißen Lastwagen mit dem roten Kreuz gesprungen ist, Waldemar nennt.
»Schon wieder hat mich eine von denen angepinkelt«, zischt Waldemar und macht mit dem Kopf Zeichen, dass der im weißen Kittel, das Mädchen endlich übernehmen soll.
»Affenscheiße verdammte, ich wollte noch in die Bar einen schieben«, flucht Waldemar und versucht mit einem Taschentuch den Urin des Mädchens aus seinem Mantel abzutupfen.
»Der der der Mi-mi-mi-mist, ist be-be-be-stimmt nicht durch«, stottert der Weißkittel, den alle nur Rudi nennen.
Zu zweit hieven sie die bewusstlose junge Frau auf die Bahre und fixieren sie. Dann schieben sie sie hinten in den Krankenwagen.
Osternitz
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Theater
Erster Akt
Erste Szene
AUF DEM BAUERNHOF
Ein alter heruntergekommener Bauernhof, daneben ein baufälliger Stall, davor ein großer Misthaufen. Die Landschaft im Hintergrund grau und trostlos.
Schweine quieken. Auf dem Misthaufen steht der Knecht HANSI, er stützt sich Mistgabel und liest in einem kleinen gelben Büchlein.
HANSI:
Nur die Depperten gehen zur Schule
er blättert um
nur die Depperten
Der Bauer
sechs Klassen hat er besucht
und was ist aus ihm geworden?
Bauer
Sechs Klassen
und dann doch nur Bauer
von so einem schäbigen
heruntergekommenen Hof
Ich habe nur zwei besucht
nur zwei Klassen
und bin immerhin schon Knecht
Vier Klassen liegen zwischen Bauer und Knecht
dass ich nicht lache
Nur die Depperten
gehen in die Schule
Die anderen
halten mich sowieso für den Bauern
Eigentlich
wollt' ich Metzger werden
Fleischer
weil Hunger haben die Leut' immer
Aber hier
in dieser gottverdammten Gegend
braucht es keine Fleischer
hier schlachten die Bauern selber
Ach was soll’s
Man muss zufrieden sein
mit dem was man hat
Und nur die Depperten
halten mich
für den Knecht
er grinst verschmitzt
Für die Bäuerin
bin ich dreimal die Woche der Bauer
Da ist er nämlich im Wirtshaus
und kommt erst in der Früh heim
Dreimal die Woche
schlafe ich in seinem Bett
Das leben ist ein Schweinestall
und die Ferkel gedeihen prächtig
Er lacht
Der Bauer mit seinen sechs Klassen
hält mich für einen Deppen
mir reichen zwei Klassen
Rechnen Lesen
ein wenig Schreiben
das reicht aus fürs Leben
Bei meinen Talenten
bei meinen Fähigkeiten
und meiner Phantasie
hält mich der Bauer
für einen Deppen
Mir soll's recht sein
schöpft er wenigstens
keinen Verdacht
wenn ein Schwein fehlt
und die Bäuerin
schon wieder ein Kind kriegt
Wenn der Bauer schreit
stell ich mich dumm
wie die Schweine
Er vertieft sich wieder in seine Lektüre
Dabei sind Schweine nicht dumm
aber das weiß der Bauer nicht
mit seinen sechs Klassen
Ich sag's ja
nur die Depperten gehen zur Schule
Ob es ihn wirklich gibt
den Alpenkönig?
Die Leut' sagen
das wär' alles Unsinn
das mit dem Alpenkönig
nur weil sie ihn nicht verstehen
Dabei gibt es so viele Dinge
die man nicht versteht
obwohl es sie trotzdem gibt
Ich versteh' den Alpenkönig recht gut
Warum sollte es ihn nicht geben?
Ja ja
lesen tue ich schon gern
das regt an
fördert in einem das Unbewusste
sagt auch der Pfarrer
Er meint zwar den Heiligen Geist
muss er wohl auch
von berufswegen
Ich mein'
das Unbewusste
was so in einem steckt
und irgendwann wird es einfach
schwupps
rausgelassen
Er lacht laut
HANSI wirft die Mistgabel weg und steckt eine Hand in sein Hemd.
Und dann
werden sie schon schauen
Wenn ich dreimal die Woche
zur Bäuerin gehe
da spür' ich schon was
und die Bäuerin auch
Das Leben ist wie ein Schweinestall
von dem Unbewussten
und die Ferkel gedeihen prächtig
Als Bub wollte ich Millionär werden
und wie Napoleon
die Macht über Europa haben
Und vielleicht sacke ich einmal
eines Tages ganz Europa ein
oder noch mehr
Zutrauen tät' ich's mir schon
Ich wünschte es wäre Nacht und die Preußen kämen
Ich wünschte es wäre Nacht und die Preußen kämen
Nein das hat Napoleon nicht gesagt
Ich glaube ein Engländer sagt das
Und ich sag'
Das Leben ist wie ein Schweinestall
und die Ferkel gedeihen prächtig
Das könnte auch von dem Korsen sein
tät' schon zu ihm passen
Er stellt sich in Pose
Wir Kleinen
haben von jeher mehr Geschick
für das Große
Alle berühmten und erfolgreichen Menschen
sind klein gewesen
Der Alpenkönig ist gewiss
wenn es ihn gibt
auch nicht von großer Statur
Die wahre Größe
steckt im Innern
da
wo niemand hineinschauen kann
Er liest laut aus Ferdinand Raimunds Alpenkönig und der Menschenfeind:
„Und der Alpen Geister sinken Kraft beraubet in den Staub, wie vorm Sturmwind welkes Laub.
Keiner ist hier, der es wagt, fortzusetzen mehr die Jagd.
Doch es kann nichts Schönres geben, als auf Alpenspitzen schweben und den Blitz vom Rohre senden der Gazelle Leben enden.
Ha! Wenn aus metallnem Lauf krachend sich der Schuß entladet
Und die goldne Kugel drauf In der Gemse Blut sich badet: Das ist echte Weidmannslust, Das erhebt des Jägers Brust.“
Er streckt einen Arm aus
„Das ist echte Weidmannslust! Das erhebt des Jägers Brust!“
Plötzlich ein fürchterlicher Knall. Die Schweine quieken laut. Vor Schreck lässt der Knecht HANSI sein kleines gelbes Büchlein fallen. Aus dem Stall torkelt, einen grünen Overall tragend und mit Gasmasken behängt, ein fahrender Händler, der GUMMIKÖNIG.
HANSI (stammelnd):
Der Alpenkönig
wie er leibt und lebt
Der Alpenkönig
Jesus Maria
Er bekreuzigt sich. Der GUMMIKÖNIG klopft sich den Dreck von den Kleidern.
GUMMIKÖNIG:
Diese gottverdammten Provinzstraßen
mörderisch geradezu
Ich muss vom Teufel geritten sein
auf die Idee zu kommen
in der Provinz meine Waren anzubieten
Diese engen Kurven
sind ja geradezu halsbrecherisch
und vor allem
absolut unnütz
Überall nur trostlose Landschaft
nur Ebene
kein Hügel
geschweige denn Berge
Die Straßen könnten hier so schön gerade sein
Aber nein
was macht der Provinzmensch
er baut Kurven ein
viel zu enge Kurven
Der dritte Unfall
innerhalb einer Woche
und heute habe ich ganz besonders Schwein gehabt
Hätte der Stall nicht die Geschwindigkeit abgebremst
vorbei wäre es mit mir gewesen
Mein Leben verdanke ich einem Schweinestall
HANSI, der immer noch auf dem Misthaufen steht, räuspert sich. Man sieht ihm an, dass er etwas Intelligentes sagen möchte.
HANSI:
Das Leben ist wie ein Schweinestall
und die Ferkel gedeihen prächtig
Der GUMMIKÖNIG schaut überrascht auf den Misthaufen. Sofort setzt er eine freundliche Miene auf, wie sich das für einen fahrenden Händler gehört.
GUMMIKÖNIG:
Ein Mensch
Ein guter braver Landmensch
Grüß Euch Gott Bauer
ich hoffe
ich komme nicht ungelegen
zur Seite
Dem steht die Einfalt im Gesicht geschrieben
Bei dem werde ich sicherlich
etwas los
Wahrscheinlich der Knecht
oder der Schweinehirt
Zwei Klassen
mehr wird der nicht besucht haben
Bei der Einfalt im Gesicht
Ein gutes Geschäft werde ich machen
Mit ein wenig Schmeichelei
wird es mir schon gelingen
HANSI (zu sich selber):
Selbst der Alpenkönig
hält mich für den Bauern
Ein schlauer Mensch
der Alpenkönig
Ein schlauer Geist
und ist wie ich
nicht von großer Statur
pathetisch
Sei gegrüßt
mein Alpenfürst
Der GUMMIKÖNIG schaut verwirrt, fängt sich aber schnell wieder.
GUMMIKÖNIG:
Ebenfalls
Ebenfalls
zur Seite
Diese Provinzler
sind schon seltsame Menschen
Nicht dass es ausreicht
halsbrecherische Kurven zu bauen
Nein
im Kopf stimmt es bei ihnen auch nicht
Und ich habe wohl
ein ganz besonderes Exemplar erwischt
Es scheint
heute ist nicht mein Tag
Aber ein Versuch ist es wert
überfreundlich
Guter Mann
wenn ich mich vorstellen darf?
HANSI (unterbricht):
Nicht nötig
nicht nötig
Ich weiß längst
wer Sie sind
Er steigt vom Misthaufen herunter.
GUMMIKÖNIG (zur Seite):
Möchte nur mal wissen
woher er mich kennt
bin doch noch nie
in dieser gottverdammten Gegend gewesen
Er lächelt HANSI an
Einen stattlichen Hof haben Sie da
Die Schweinezucht
ein sicheres Geschäft
HANSI:
Ja ja
Gefressen und geschissen wird immer
beide lachen
GUMMIKÖNIG:
Wundern Sie sich nicht
über meinen Auftritt
aber diese Gegend
HANSI (unterbricht):
Aber i’wo
Wenn ich ehrlich bin
habe ich Ihren Besuch erwartet
Der GUMMIKÖNIG schaut sich misstrauisch um.
GUMMIKÖNIG (zur Seite):
Ob ich gar schon in der Zeitung stehe?
Oder die Gendarmerie mich sucht?
freundlich
Nun das ist schön
drum wollen wir auch gleich
zur Sache kommen
Vielleicht hätten Sie die Güte
mein Gefährt aus dem Stall zu holen
unterdessen werde ich mir die Hände waschen
Was ich Ihnen dann zeigen werde
wird Ihnen den Atem verschlagen
HANSI eilt in den Stall. Der GUMMIKÖNIG geht zur Tränke um sich die Hände zu waschen.
GUMMIKÖNIG:
Der Kunde
er darf nie zur Ruhe kommen
dabei wäscht er sich die Hände
Wie der Fisch an der Angel
Immer in Bewegung
damit er müde wird
Immer schön zappeln lassen
HANSI schiebt ein Motorrad mit Beiwagen aus dem Stall. Der Beiwagen ist übervoll mit Gasmasken.
HANSI: (murmelnd)
Der Alpenkönig
er geht mit der Zeit
Die Kleidung dient der Tarnung
sicherlich will er mich auf die Probe stellen
Er schiebt das Motorrad zur Tränke.
GUMMIKÖNIG:
Da staunen Sie was?
Jede Maske von bester Qualität
und fast neuwertig
HANSI kratzt sich am Kopf.
HANSI:
Nun für’s Ausmisten könnt' ich schon eine gebrauchen
Wenn Krieg wäre
könnte man ein gutes Geschäft damit machen
GUMMIKÖNIG:
Sie sind ja schlauer
als ich dachte
ein richtiger Geschäftsmann
ein Ökonom
HANSI:
Was bitte?
GUMMIKÖNIG:
Setzen wir uns doch
Sie setzen sich auf eine Bank, die neben der Tränke steht.
Der GUMMIKÖNIG holt ein silbernes Fläschchen aus seiner Tasche, öffnet es und reicht es HANSI.
GUMMIKÖNIG:
Ein scharfer Tropfen
aber er schärft die Sinne
und den Geist dazu
HANSI nickt und nimmt gleich noch einen Schluck. Der GUMMIKÖNIG rutscht nah an ihn heran.
GUMMIKÖNIG:
Weißt du Bauer
man muss das Leben
nur von der guten Seite her sehen
dann klappt alles
Und wenn man das Leben von der guten Seite her sieht
dann sind auch alle Dinge des Lebens nützlich
und vor allem verwendbar
Aus allem kann man ein Geschäft machen
wenn man nur will
Aber wem sage ich das?
Das weißt du ja selber
Es ist wie bei einer Sauschlachtung
da kannst du ja auch alles verwenden
von den Borsten bis zum Schweinezeh
einfach alles
Und so habe ich mir als der Krieg vorbei war
und alle gesagt haben
wir sind am Ende
nur weil wir diesen gottverdammten Krieg verloren haben
gedacht
Er kratzt sich am Kopf
Nun ich will es kurz machen
Alle scheinbar unnützen Dinge
die so ein verlorener Krieg hinterlässt
habe ich in meinen Besitz gebracht
Soldatenhelme
Kampfanzüge
und zu guter Letzt
diese Gasmasken
Ich kann getrost von mir behaupten
dass ich in diesen Dingen
ein Monopolist bin
HANSI (erstaunt):
Aha
ein Monopolist
GUMMIKÖNIG:
Und ein cleverer dazu
Die Helme
habe ich den Schmiedebetrieben verkauft
die machen jetzt aus alten unnützen Soldatenhelmen
nützliche Kochtöpfe und Siebe
Die Kampfanzüge habe ich gleich mitverkauft
sie dienen den Arbeitern als Arbeitskleidung
Aber das Beste kommt erst noch
Du wirst dich sicherlich fragen
was das alles mit den alten Gasmasken zu tun hat?
Da wirst du staunen
Er nimmt eine Gasmaske, holt ein Messer aus der Tasche und schneidet die untere Hälfte der Maske ab, so dass nur noch eine Brille übrig bleibt.
Was fehlt
habe ich mir gedacht
dem Schmied
wenn er aus alten unnützen Soldatenhelmen
nützliche neue Kochtöpfe herstellt
wo doch bei dieser nicht ganz ungefährlichen Arbeit
Funken sprühen
Na?
Eine Schutzbrille
Hier
setz sie mal auf
HANSI setzt sich die Brille auf.
HANSI (durch die Nase):
Wirklich eine gute Idee
Eine wirklich nützliche Erfindung
Aber wieso
willst du sie verkaufen
wo es sich doch um so eine wahrlich
nützliche Erfindung handelt?
GUMMIKÖNIG:
Nun ich bin des Wanderns müde
Und wie du siehst
auch nicht mehr der Jüngste
Schlag ein
und du bist von nun an ein Monopolist
Vom Monopolisten ist es nicht mehr weit
bis zum Millionär
zur Seite
Wer’s glaubt wird selig
Erster Akt
Erste Szene
AUF DEM BAUERNHOF
Ein alter heruntergekommener Bauernhof, daneben ein baufälliger Stall, davor ein großer Misthaufen. Die Landschaft im Hintergrund grau und trostlos.
Schweine quieken. Auf dem Misthaufen steht der Knecht HANSI, er stützt sich Mistgabel und liest in einem kleinen gelben Büchlein.
HANSI:
Nur die Depperten gehen zur Schule
er blättert um
nur die Depperten
Der Bauer
sechs Klassen hat er besucht
und was ist aus ihm geworden?
Bauer
Sechs Klassen
und dann doch nur Bauer
von so einem schäbigen
heruntergekommenen Hof
Ich habe nur zwei besucht
nur zwei Klassen
und bin immerhin schon Knecht
Vier Klassen liegen zwischen Bauer und Knecht
dass ich nicht lache
Nur die Depperten
gehen in die Schule
Die anderen
halten mich sowieso für den Bauern
Eigentlich
wollt' ich Metzger werden
Fleischer
weil Hunger haben die Leut' immer
Aber hier
in dieser gottverdammten Gegend
braucht es keine Fleischer
hier schlachten die Bauern selber
Ach was soll’s
Man muss zufrieden sein
mit dem was man hat
Und nur die Depperten
halten mich
für den Knecht
er grinst verschmitzt
Für die Bäuerin
bin ich dreimal die Woche der Bauer
Da ist er nämlich im Wirtshaus
und kommt erst in der Früh heim
Dreimal die Woche
schlafe ich in seinem Bett
Das leben ist ein Schweinestall
und die Ferkel gedeihen prächtig
Er lacht
Der Bauer mit seinen sechs Klassen
hält mich für einen Deppen
mir reichen zwei Klassen
Rechnen Lesen
ein wenig Schreiben
das reicht aus fürs Leben
Bei meinen Talenten
bei meinen Fähigkeiten
und meiner Phantasie
hält mich der Bauer
für einen Deppen
Mir soll's recht sein
schöpft er wenigstens
keinen Verdacht
wenn ein Schwein fehlt
und die Bäuerin
schon wieder ein Kind kriegt
Wenn der Bauer schreit
stell ich mich dumm
wie die Schweine
Er vertieft sich wieder in seine Lektüre
Dabei sind Schweine nicht dumm
aber das weiß der Bauer nicht
mit seinen sechs Klassen
Ich sag's ja
nur die Depperten gehen zur Schule
Ob es ihn wirklich gibt
den Alpenkönig?
Die Leut' sagen
das wär' alles Unsinn
das mit dem Alpenkönig
nur weil sie ihn nicht verstehen
Dabei gibt es so viele Dinge
die man nicht versteht
obwohl es sie trotzdem gibt
Ich versteh' den Alpenkönig recht gut
Warum sollte es ihn nicht geben?
Ja ja
lesen tue ich schon gern
das regt an
fördert in einem das Unbewusste
sagt auch der Pfarrer
Er meint zwar den Heiligen Geist
muss er wohl auch
von berufswegen
Ich mein'
das Unbewusste
was so in einem steckt
und irgendwann wird es einfach
schwupps
rausgelassen
Er lacht laut
HANSI wirft die Mistgabel weg und steckt eine Hand in sein Hemd.
Und dann
werden sie schon schauen
Wenn ich dreimal die Woche
zur Bäuerin gehe
da spür' ich schon was
und die Bäuerin auch
Das Leben ist wie ein Schweinestall
von dem Unbewussten
und die Ferkel gedeihen prächtig
Als Bub wollte ich Millionär werden
und wie Napoleon
die Macht über Europa haben
Und vielleicht sacke ich einmal
eines Tages ganz Europa ein
oder noch mehr
Zutrauen tät' ich's mir schon
Ich wünschte es wäre Nacht und die Preußen kämen
Ich wünschte es wäre Nacht und die Preußen kämen
Nein das hat Napoleon nicht gesagt
Ich glaube ein Engländer sagt das
Und ich sag'
Das Leben ist wie ein Schweinestall
und die Ferkel gedeihen prächtig
Das könnte auch von dem Korsen sein
tät' schon zu ihm passen
Er stellt sich in Pose
Wir Kleinen
haben von jeher mehr Geschick
für das Große
Alle berühmten und erfolgreichen Menschen
sind klein gewesen
Der Alpenkönig ist gewiss
wenn es ihn gibt
auch nicht von großer Statur
Die wahre Größe
steckt im Innern
da
wo niemand hineinschauen kann
Er liest laut aus Ferdinand Raimunds Alpenkönig und der Menschenfeind:
„Und der Alpen Geister sinken Kraft beraubet in den Staub, wie vorm Sturmwind welkes Laub.
Keiner ist hier, der es wagt, fortzusetzen mehr die Jagd.
Doch es kann nichts Schönres geben, als auf Alpenspitzen schweben und den Blitz vom Rohre senden der Gazelle Leben enden.
Ha! Wenn aus metallnem Lauf krachend sich der Schuß entladet
Und die goldne Kugel drauf In der Gemse Blut sich badet: Das ist echte Weidmannslust, Das erhebt des Jägers Brust.“
Er streckt einen Arm aus
„Das ist echte Weidmannslust! Das erhebt des Jägers Brust!“
Plötzlich ein fürchterlicher Knall. Die Schweine quieken laut. Vor Schreck lässt der Knecht HANSI sein kleines gelbes Büchlein fallen. Aus dem Stall torkelt, einen grünen Overall tragend und mit Gasmasken behängt, ein fahrender Händler, der GUMMIKÖNIG.
HANSI (stammelnd):
Der Alpenkönig
wie er leibt und lebt
Der Alpenkönig
Jesus Maria
Er bekreuzigt sich. Der GUMMIKÖNIG klopft sich den Dreck von den Kleidern.
GUMMIKÖNIG:
Diese gottverdammten Provinzstraßen
mörderisch geradezu
Ich muss vom Teufel geritten sein
auf die Idee zu kommen
in der Provinz meine Waren anzubieten
Diese engen Kurven
sind ja geradezu halsbrecherisch
und vor allem
absolut unnütz
Überall nur trostlose Landschaft
nur Ebene
kein Hügel
geschweige denn Berge
Die Straßen könnten hier so schön gerade sein
Aber nein
was macht der Provinzmensch
er baut Kurven ein
viel zu enge Kurven
Der dritte Unfall
innerhalb einer Woche
und heute habe ich ganz besonders Schwein gehabt
Hätte der Stall nicht die Geschwindigkeit abgebremst
vorbei wäre es mit mir gewesen
Mein Leben verdanke ich einem Schweinestall
HANSI, der immer noch auf dem Misthaufen steht, räuspert sich. Man sieht ihm an, dass er etwas Intelligentes sagen möchte.
HANSI:
Das Leben ist wie ein Schweinestall
und die Ferkel gedeihen prächtig
Der GUMMIKÖNIG schaut überrascht auf den Misthaufen. Sofort setzt er eine freundliche Miene auf, wie sich das für einen fahrenden Händler gehört.
GUMMIKÖNIG:
Ein Mensch
Ein guter braver Landmensch
Grüß Euch Gott Bauer
ich hoffe
ich komme nicht ungelegen
zur Seite
Dem steht die Einfalt im Gesicht geschrieben
Bei dem werde ich sicherlich
etwas los
Wahrscheinlich der Knecht
oder der Schweinehirt
Zwei Klassen
mehr wird der nicht besucht haben
Bei der Einfalt im Gesicht
Ein gutes Geschäft werde ich machen
Mit ein wenig Schmeichelei
wird es mir schon gelingen
HANSI (zu sich selber):
Selbst der Alpenkönig
hält mich für den Bauern
Ein schlauer Mensch
der Alpenkönig
Ein schlauer Geist
und ist wie ich
nicht von großer Statur
pathetisch
Sei gegrüßt
mein Alpenfürst
Der GUMMIKÖNIG schaut verwirrt, fängt sich aber schnell wieder.
GUMMIKÖNIG:
Ebenfalls
Ebenfalls
zur Seite
Diese Provinzler
sind schon seltsame Menschen
Nicht dass es ausreicht
halsbrecherische Kurven zu bauen
Nein
im Kopf stimmt es bei ihnen auch nicht
Und ich habe wohl
ein ganz besonderes Exemplar erwischt
Es scheint
heute ist nicht mein Tag
Aber ein Versuch ist es wert
überfreundlich
Guter Mann
wenn ich mich vorstellen darf?
HANSI (unterbricht):
Nicht nötig
nicht nötig
Ich weiß längst
wer Sie sind
Er steigt vom Misthaufen herunter.
GUMMIKÖNIG (zur Seite):
Möchte nur mal wissen
woher er mich kennt
bin doch noch nie
in dieser gottverdammten Gegend gewesen
Er lächelt HANSI an
Einen stattlichen Hof haben Sie da
Die Schweinezucht
ein sicheres Geschäft
HANSI:
Ja ja
Gefressen und geschissen wird immer
beide lachen
GUMMIKÖNIG:
Wundern Sie sich nicht
über meinen Auftritt
aber diese Gegend
HANSI (unterbricht):
Aber i’wo
Wenn ich ehrlich bin
habe ich Ihren Besuch erwartet
Der GUMMIKÖNIG schaut sich misstrauisch um.
GUMMIKÖNIG (zur Seite):
Ob ich gar schon in der Zeitung stehe?
Oder die Gendarmerie mich sucht?
freundlich
Nun das ist schön
drum wollen wir auch gleich
zur Sache kommen
Vielleicht hätten Sie die Güte
mein Gefährt aus dem Stall zu holen
unterdessen werde ich mir die Hände waschen
Was ich Ihnen dann zeigen werde
wird Ihnen den Atem verschlagen
HANSI eilt in den Stall. Der GUMMIKÖNIG geht zur Tränke um sich die Hände zu waschen.
GUMMIKÖNIG:
Der Kunde
er darf nie zur Ruhe kommen
dabei wäscht er sich die Hände
Wie der Fisch an der Angel
Immer in Bewegung
damit er müde wird
Immer schön zappeln lassen
HANSI schiebt ein Motorrad mit Beiwagen aus dem Stall. Der Beiwagen ist übervoll mit Gasmasken.
HANSI: (murmelnd)
Der Alpenkönig
er geht mit der Zeit
Die Kleidung dient der Tarnung
sicherlich will er mich auf die Probe stellen
Er schiebt das Motorrad zur Tränke.
GUMMIKÖNIG:
Da staunen Sie was?
Jede Maske von bester Qualität
und fast neuwertig
HANSI kratzt sich am Kopf.
HANSI:
Nun für’s Ausmisten könnt' ich schon eine gebrauchen
Wenn Krieg wäre
könnte man ein gutes Geschäft damit machen
GUMMIKÖNIG:
Sie sind ja schlauer
als ich dachte
ein richtiger Geschäftsmann
ein Ökonom
HANSI:
Was bitte?
GUMMIKÖNIG:
Setzen wir uns doch
Sie setzen sich auf eine Bank, die neben der Tränke steht.
Der GUMMIKÖNIG holt ein silbernes Fläschchen aus seiner Tasche, öffnet es und reicht es HANSI.
GUMMIKÖNIG:
Ein scharfer Tropfen
aber er schärft die Sinne
und den Geist dazu
HANSI nickt und nimmt gleich noch einen Schluck. Der GUMMIKÖNIG rutscht nah an ihn heran.
GUMMIKÖNIG:
Weißt du Bauer
man muss das Leben
nur von der guten Seite her sehen
dann klappt alles
Und wenn man das Leben von der guten Seite her sieht
dann sind auch alle Dinge des Lebens nützlich
und vor allem verwendbar
Aus allem kann man ein Geschäft machen
wenn man nur will
Aber wem sage ich das?
Das weißt du ja selber
Es ist wie bei einer Sauschlachtung
da kannst du ja auch alles verwenden
von den Borsten bis zum Schweinezeh
einfach alles
Und so habe ich mir als der Krieg vorbei war
und alle gesagt haben
wir sind am Ende
nur weil wir diesen gottverdammten Krieg verloren haben
gedacht
Er kratzt sich am Kopf
Nun ich will es kurz machen
Alle scheinbar unnützen Dinge
die so ein verlorener Krieg hinterlässt
habe ich in meinen Besitz gebracht
Soldatenhelme
Kampfanzüge
und zu guter Letzt
diese Gasmasken
Ich kann getrost von mir behaupten
dass ich in diesen Dingen
ein Monopolist bin
HANSI (erstaunt):
Aha
ein Monopolist
GUMMIKÖNIG:
Und ein cleverer dazu
Die Helme
habe ich den Schmiedebetrieben verkauft
die machen jetzt aus alten unnützen Soldatenhelmen
nützliche Kochtöpfe und Siebe
Die Kampfanzüge habe ich gleich mitverkauft
sie dienen den Arbeitern als Arbeitskleidung
Aber das Beste kommt erst noch
Du wirst dich sicherlich fragen
was das alles mit den alten Gasmasken zu tun hat?
Da wirst du staunen
Er nimmt eine Gasmaske, holt ein Messer aus der Tasche und schneidet die untere Hälfte der Maske ab, so dass nur noch eine Brille übrig bleibt.
Was fehlt
habe ich mir gedacht
dem Schmied
wenn er aus alten unnützen Soldatenhelmen
nützliche neue Kochtöpfe herstellt
wo doch bei dieser nicht ganz ungefährlichen Arbeit
Funken sprühen
Na?
Eine Schutzbrille
Hier
setz sie mal auf
HANSI setzt sich die Brille auf.
HANSI (durch die Nase):
Wirklich eine gute Idee
Eine wirklich nützliche Erfindung
Aber wieso
willst du sie verkaufen
wo es sich doch um so eine wahrlich
nützliche Erfindung handelt?
GUMMIKÖNIG:
Nun ich bin des Wanderns müde
Und wie du siehst
auch nicht mehr der Jüngste
Schlag ein
und du bist von nun an ein Monopolist
Vom Monopolisten ist es nicht mehr weit
bis zum Millionär
zur Seite
Wer’s glaubt wird selig
Der große Kaspari
Exposé und Manuskript anfordern
PROLOG
KASPARI sitzt vor einem dunklen Schminktisch.
KASPARI:
Der Topf stinkt immer vom Tisch aus
Unsinn
Der Kopf stößt immer am Tisch an
Jetzt habe ich es
Der Kopf stinkt immer vom Fisch aus
Quatsch
Völliger Blödsinn
Wo bin ich bloß
mit meinen Gedanken?
Es wird einfach
Nicht mehr hell
Die Winter
werden immer länger
Gestalten sich
mit dem Alter
immer ungemütlicher
Aber soll ich mich
ins Bett legen?
Was für eine Vorstellung
Nichts Tun
ein schrecklicher Gedanke
Viel zu früh
Weil im Flur
die große Wanduhr
aufgehört hat zu schlagen
fast zweihundert Jahre
hat diese Uhr
dieses Zeugnis
an handwerklicher Präzision
seinen Dienst erfüllt
Immer im Dienst
der Familie
Der Großvater
ist Konzertmeister gewesen
aus Bad Aussee hat er sie mitgebracht
Schon bei den Großeltern in Wien
Hat sie im Flur gehangen
weil das Uhrwerk
so einen Krach verbreitet
singt
Tac Tac Tac
kennt nicht der Pharao
Tac Tac Tac
auch nicht der Wasserfloh
Tac Tac Tac
ach was bin ich froh
dass ich heut’
mit ner Sanduhr penn
Kaspari lacht
Woher
ich das habe?
Keine Ahnung
In letzter Zeit
Da fallen mir Dinge ein
Da drehen sich Bilder
in meinem Kopf
Vielleicht ist es doch an der Zeit
meine Memoiren zu schreiben
Marmor
Stein
und Eisen bricht
Memoarien
Memorarien
Memotarien
Memoarien
Was mache ich mir Gedanken
Sprachkünstler
von jeher
Alle lieben sie meinen Sprachwitz
er lacht
Fisch soll ich besorgen
dass ich das vergessen konnte
Natürlich
Nach der Premiere
Fahren wir alle zu uns
und dann gibt es
naturgemäß
Fisch
KASPARI macht Mundübungen. Er streckt die Zunge heraus, lässt sie kreisen.
Bäh
Bääh
Bääääh
Bääääääääääääh
Es schwimmt der Fisch
dem Kopf voraus
KASPARI kratzt sich am Kopf.
Mein Gott
bin ich unkonzentriert
aber das ist ganz normal vor einer Premiere
Umso älter
ich werde
desto schlimmer wird das
Schon in der Früh
beginnen die Qualen
die Füße schmerzen beim Aufstehen
Und das erste Wasser lassen
fühlt sich an
als ob die dicke Frau Mattrutscha
aus dem Chor
mit einer ihrer unzähligen
dicken Stricknadeln
meine Harnröhre
besuchen würde
er lacht
Die Fieberschübe kommen
erst gegen Mittag
begleitet vom flüssigen Stuhl
Da sitze ich
Und es spritzt die Angst
aus den Gedärmen
und ich
habe nicht nur meinen Text
sondern auch den Namen
des Stücks vergessen
KASPARI schlägt das Rollenbuch auf.
Wer schreibt denn so was?
Hier Seite
Sieben
Prolog
Da sitze ich
und es spritzt die Angst
Was soll’s
Ich habe in all den Jahren
schon Schlimmeres sagen müssen
Worthülsen
haben mich ein Leben lang begleitet
Unaussprechliche Sprachwürste
Ich habe sie in Scheiben zerlegt
dem Publikum kredenzt
Wobei ich mit einem gewissen Unterton
meinem Publikum
immer klar gemacht habe
was ich von diesem
geistigen Ausfluss halte
KASPARI steht auf und geht nach vorne.
Das ist es
Dadurch dass ich den Ort
meinen Spielort verlasse
meinem Publikum
sozusagen in die Augen blicke
mache ich ihnen unmissverständlich klar
was ich von diesem Text halte
Was heißt Text?
Buchstabensuppe
Da sitze ich
Und da spritzt die Angst
er lacht
Dadurch
dass ich stehe
mache ich den
ganzen Text
diese sinnlose Aneinanderreihung
von Wörtern
das ganze so genannte Stück
mitsamt
seinem so genannten Autoren
unglaubwürdig
Da sitze ich
Und da spritzt die Angst
er lacht
Euch werde ich es zeigen
Von wegen Höhepunkt der Karriere
Und
wenn es am Schönsten ist
sollte man gehen
Ich werde hier
an der Rampe stehen
und die Bevölkerung
zur Revolution aufrufen
KASPARI klopft sich die Kleider glatt, geht zurück zum Schminktisch und setzt sich theatralisch hin.
Ja ja
die Zeit rast
das es einem
schwiemlig
schimmlig wird
Ja
ich fühle mich
schwammig
KASPARI nimmt den Telefonhörer an seinem Schminktisch ab und hält ihn ans Ohr.
Ist da jemand?
er lacht
Wortakrobat
Haben sie mich genannt
Jetzt
Bin ich für die Uraufführungen
interessant
Uraufführungen
oder
Wandertheater
Landesbühnen
oder
Kindertheater
so werde ich bedroht
Das Haus ist immer
voller Menschen gewesen
Die miesesten Erpresser
gibt es am Theater
Hallo
Hallo
Ab ich dich gewegt
Genegt
Ach was
geweckt
Ich bin
früher ins Theater
der Text
will einfach nicht in meinen Kopf
Was heißt
zu spät?
Hallo
HALLO
KASPARI schaut auf die Armbanduhr die auf dem Schminktisch liegt und klopft gegen das Glas.
Einfach aufgelegt
Na wunderbar
Kein gutes Omen
Wenn die Uhr stehen bleibt
Er lacht.
Erster TEIL
1. BILD: BÖSES ERWACHEN
KASPARI sitzt auf dem Schminkstuhl und schläft.
Der INSPIZIENT betritt zusammen mit ELISABETH die Bühne.
INSPIZIENT:
So habe ich ihn vor einer Stunde gefunden
mich nicht getraut ihn zu wecken
Du weißt
was beim letzten Mal passiert ist
Zwei Scheinwerfer hat er zerschossen
Und von den Stühlen
erst gar nicht zu reden
432 Stühle
hat er in einer Nacht zerdeppert
ELISABETH:
Hättet ihr mal lieber die Nashörner
als die Stühle
gegeben
sie lacht
Zudem gibt man einem Kaspari
keine stumme Rolle
INSPIZIENT:
Ach Mädchen
unsere Zeit ist vorbei
aber du hast die gleiche befreiende Lache
wie dein Vater
Am Ende der Spielzeit
ist bei mir auch Schluss
ELISABETH:
Und?
Häuschen auf Mykonos?
Boote vermieten?
INSPIZIENT:
Das hast du nicht vergessen
ELISABETH:
Ein Kaspari vergisst nie etwas
INSPIZIENT:
Ein Augenaufschlag ist das her
da hast du auf meinem Schoß gesessen
Über vierzig Jahre ist das her
Mein erste Anstellung am Theater
Und gleich die letzte
ELISABETH:
War’ ne schöne Zeit
INSPIZIENT:
Wie sich das anhört
War’ ne schöne Zeit
Die Zeit ist auch jetzt schön
Nur von der Rente
werde ich nicht leben können
Habe aber was gefunden
Nachtdienst und so
ELISABETH:
Und?
Wie war die Premiere?
Sonst hat Vater immer angerufen
Es ist passiert
Stimmt’s?
Sag nichts
Sag nichts
Der Supergau ist eingetreten
Etwas
wovor
er immer Angst gehabt
INSPIZIENT (unterbricht):
Nein nein
Den Text hat er nicht vergessen
Dazu ist es gar nicht erst gekommen
ELISABETH:
Wieso?
INSPIZIENT:
Nun
wie soll ich das sagen
er
er
also
er ist überhaupt nicht erschienen
ELISABETH:
Was heißt
nicht erschienen?
Vater ist die Zuverlässigkeit
in Person
Nie hat er einen Auftritt versäumt
In all den Jahren
nicht einen Tag krank gewesen
INSPIZIENT:
Wir haben gewartet
Etwas Einzigartiges
in der Geschichte dieses Theaters
Eine Stunde haben wir
auf ihn gewartet
Wenn es nach dem Intendanten
gegangen wäre
hätte ich den Vorhang sofort aufmachen müssen
Aber das Publikum
hat es durch sein Schweigen verhindert
eine bedrohliche Ruhe
lag da über dem ganzen Raum
Elisabeth:
Wo um alles in der Welt
ist er denn gewesen?
Ich habe ihn doch pünktlich zum Theater gebracht
habe ihm noch zugewunken
obwohl Premiere war
INSPIZIENT:
Im Heizungskeller
haben wir ihn gefunden
Ganz ruhig hat er da
auf dem Stuhl gesessen
und durch das Fenster
in das Ofenfeuer geschaut
Waller
hat er nur gesagt
und gefragt
ob die Lautsprecheranlage defekt sei
Dann habe ich ihn in die Garderobe gebracht
ELISABETH:
Und warum sitzt er jetzt hier
mitten auf der Bühne?
INSPIZIENT:
Ich wollte dich ja anrufen
Aber da war er schon wieder verschwunden
ELISABETH geht auf den Vater zu und rüttelt ihn.
KASPARI rührt sich nicht. Mit offenem Mund sitzt er da und wirkt wie tot.
ELISABETH beugt sich zu ihm herunter und fächelt seine ausatmende Luft an ihre Nase.
ELISABETH:
Getrunken hat er nicht
obwohl das verdächtig genug wäre
In letzter Zeit
ist er einfach nicht wieder zu erkennen
Da war dieser Artikel
in der Zeitung
der hat ihn dermaßen aufgeregt
Eingesperrt hat er sich
Nächtelang
habe ich ihn jammern hören
INSPIZIENT:
Das mit deiner Schwester
hat er nie überwunden
von deiner Mutter ganz zu schweigen
ELISABETH:
Vom Kunstmenschen
zum Familienmenschen
Nein nein
da ist er nie angekommen
bei all dem Schrecken
bei all der Tragödie
Aufwachen
AUFWACHEN
ELISABETH rüttelt und schüttelt KASPARI bis er wach ist.
KASPARI:
Hallo?
Was?
Da sitze ich
und es spritzt die Angst
KASPARI erkennt seine Tochter.
Schön
das du mich abholst
Die Premiere
war ein voller Erfolg
das Publikum
mein Publikum
ist aufgesprungen
um mir zu applaudieren
Ein erlösender Applaus
das habe ich sofort herausgehört
Mein Publikum fühlt mit mir mit
Nein
das lässt mich nicht im Stich
Das Stück ist Seife
der Regisseur ist Seife
und unser Intendant
ein sich selbst leckendes Arschloch
Ich habe nichts gegen Arschlöcher
am Theater vermehrt sich diese Spezies
wie die Fliegen
Aber das selbst leckende Arschloch?
Ja
das selbst leckende Arschloch
vermehrt sich plötzlich wieder
ELISABETH (unterbricht):
Vater
Du bist hier eingeschlafen
und jetzt hol ich dich ab
KASPARI schüttelt sich und richtet sich auf.
KASPARI:
Die Zeiten sind vorbei
das man abgeholt wird
Du hättest sie sehen sollen
der Bürgermeister
der Landrat
der Spitzenkandidat
Sie alle
haben mir gratuliert
ELISABETH:
Vater
komm
es ist vier Uhr morgens
KASAPRI:
Ich werde mich wohl noch abschminken dürfen
KASPARI tastet auf dem Schminktisch nach der Dose mit der Abschminke.
Wo ist meine Abschminke?
Und wieso
ist das Licht am Spiegel aus?
Macht denn heute jeder was er will?
2. BILD: UNTERSUCHUNGEN
KASPARI sitzt hinter einem weißen Schreibtisch und trägt einen Kittel.
Vor ihm sitzt RUDI, der unruhig mit dem Stuhl hin und her wippt. Er trägt eine Lederkappe, soweit man das von hinten erkennen kann.
KASPARI spielt mit dem Kunststoffschädel auf dem Schreibtisch. Er klappt ihn auf, dabei fällt ihm das Gehirn, das aus mehreren Teilen besteht, heraus.
KASPARI:
Eine wundersame Welt
die Naturwissenschaften
vor allem die Medizin
Da können wir jeden Tag
dazulernen
Auch Sie
mein Lieber
Hätten Sie gewusst
dass Ihr Gehirn aus so vielen Teilen
besteht
sechs um genau zu sein
fünfzehn Abschnitte
Wobei
Wenn man sie zählt
ist es meistens mit einem vorbei
er lacht
Ich bin mit diesen Dingen aufgewachsen
In vierter Generation
sind sie Kasparis Ärzte
nur ich bin aus der Art geschlagen
Ich zersäge keine Knochen
lasse die Gedärme und Innereien
an ihren Plätzen
Nein
ich erforsche die Seele
Wobei niemand weiß
wo sie sitzt
RUDI versucht mit dem Stuhl wegzuhüpfen.
Die Seele
KASPARI nimmt das Reflexhämmerchen und den Brieföffner.
Keine Angst
Ich mache Sie nicht auf
Heute nicht
aber
vielleicht
Morgen
er lacht
Ja ja
So bin ich
von jeher eine Frohnatur
eine Spielernatur
das Spiel
ist meine Passion
Spielen Sie?
Spielen
ist eine Charakterfrage
RUDI versucht etwas zu sagen, aber es kommen nur Laute ohne Vokale heraus.
KASPARI:
Ich kann
und will Sie nicht verstehen
Nicht in diesem Aufzug
Zudem
wenn wir schon dabei sind
riechen Sie
Süß und sauer
Sie verstehen
was ich meine
Ihr Stoffwechsel ist nicht in Ordnung.
RUDI hüpft mit dem Stuhl wild hin und her.
Abgestandener Champagner
gemischt mit Abdeckpuder
und billigem Katzenfutter
Wir hatten auch mal eine Katze
Fragen Sie jetzt nicht nach dem Namen
Namen sind für mich
in diesem Zusammenhang wie
Gedankenverloren versucht er die einzelnen Hirnteile wieder in den Schädel zu setzen.
Berühmtheiten
zieht man nach ihrem Tod
das Gehirn
durch die Nase heraus
Ha ha hatschi
er lacht
Und schon ist es weg
KASPARI setzt den Halsnasenohrenspiegel auf und nimmt eine Pinzette vom Tisch.
Na
Da wollen wir mal
RUDI hüpft mit dem Stuhl auf den Schreibtisch zu und gibt Laute ohne Vokale von sich.
KASPARI:
Meine Frau
ist tot
hat sich umgebracht
meine Tochter dagegen
ist umgebracht worden
KASPARI steht auf und lauscht dem Gesagten nach.
Ja
So kann’s kommen
Den kompletten Shakespeare habe ich gespielt
Da bin ich der einzige
Ja
ich könnte im Buch
er hält inne
Mein Gott
ich habe vergessen
meine Tochter von der Schule abzuholen
Können wir eine Pause machen?
Hallo?
Hallo?
RUDI hat hüpfend mit dem Stuhl KASPARI erreicht und reißt ihn zu Boden.
Der PRIMAR, ELISABETH und MANTEI kommen hinzu und bringen beide auseinander.
MANTEI hat gefüllte Strümpfe, mit denen er auf die beiden einschlägt.
PRIMAR:
Aus
aus
Mantei
Bring sie auseinander
(zu ELISABETH)
Wie Sie sehen
schlüpft ihr Vater
immer noch gern in Rollen
Eine halbe Stunde
kann er die Fassade aufrechterhalten
Erst letzte Woche
haben wir ihn aus dem Keller befreien müssen
vor dem Fenster der Ölheizung hat er gesessen
und hat unentwegt in das Feuer gestarrt
ELISABETH
Das hat er vor einem Monat
im Theater auch schon gemacht
PRIMAR:
Ich habe Ihren Herrn Vater
noch im Kaufmann von Venedig gesehen
und natürlich als Lear
ELISABETH:
Shylock und Lear
sind mein Untergang
hat er immer wieder gesagt
PRIMAR:
Ihr Herr Vater trinkt
das beschleunigt naturgemäß die Krankheit
Er trinkt und zwar nicht in Maßen
Wir wissen zwar nicht
wie er an das Zeug kommt
aber wir behalten ihn im Auge
MANTEI bringt RUDI aus dem Behandlungszimmer. Er trägt eine Zwangsjacke und eine Maske wie Hannibal Lecter.
KASPARI sitzt wie ein Kind auf dem Boden und dreht mit den Händen Achten, als würde er mit einer Eisenbahn spielen.
PRIMAR:
Er hat angefangen zu schreiben
Ein Theaterstück
wie er sagt
Wir lassen ihn
Irgendetwas mit Tieren
Ihr Herr Vater
hat noch kein Vertrauen
aber das ist ganz normal
So viele neue Eindrücke
wo er doch die Alten
immer noch nicht verarbeitet hat
Da ist unser Gehirn
gnadenlos
wenn es etwas noch nicht abgehakt hat
dann bleibt es
und martert
selbst bei so einer Krankheit
ELISABETH:
Alzheimer
Demenz
dann gebe ich mir die Kugel
hat er immer gesagt
PRIMAR:
Das sagen sie alle
Aber kommen Sie
Ich muss Ihnen unbedingt unser Erinnerungszimmer zeigen
Sie werden staunen
KASPARI holt einen Rezeptblock aus dem Kittel und beginnt liegend zu schreiben.
KASPARI:
Die Bremer Stadtmusikanten
ein Theaterstück
von Lothar Kaspari
Prolog
Schlachthof
Die Geräusche des Todes sind zu hören
Das Klagen der Rinder
Das Klagen der Schweine
Das Klagen jeglicher Kreatur
Die missbraucht und getötet wird
Qualvoll
Quack
Quack
Quack
Gänsestopfleber
Ein Bild
das getanzt werden muss
oder ganz reduziert
ein Schauspieler
allein auf einer nackten Bühne
über ihm ein riesengroßer Trichter
der oral in ihn eindringt
Das Ganze muss
minimalistisch beginnen
Am Anfang war das Wort
Genau
Mit der Schöpfungsgeschichte
muss ich beginnen
Der Esel sagt Ia
und beginnt mit der Schöpfungsgeschichte
Weiß Gott
eine gute Idee
von meiner Frau
Dieses Hotel
inspiriert mich
es hat zwar seine Ecken und Kanten
vor allem das Personal ist
schlecht
es ist faul und stiehlt
KASPARI hat sich in Rage geschrieben. Längst hat er mit dem Stift den Rezeptblock verlassen und schreibt den Boden und die Wände voll.
Geknechtete und Knechte
Das Vieh muss schreien
Ketten müssen rasseln
Der Esel
der bin ich
oder doch der Hahn
Kikeriki
Kikeriki
MANTEI kommt mit einem Rollstuhl zurück und beobachtet von der Tür aus, wie KASPARI die Wände bekritzelt.
MANTEI:
Diese Drecksau
diese verdammte Drecksau
verdreckt Boden und Wände
Totschlagen müsste man den ganzen Dreck
Was für einen Sinn hat das?
Das ist doch kein Mensch mehr
Da ist ja Scheiße
Ein großes Stück Scheiße
Nicht mehr und nicht weniger
Nein
Das da ist kein Mensch mehr
das da ist noch nicht einmal ein Tier
Selbst der Menschenfresser
würde das da nicht verkochen
sondern direkt auf den Müll werfen
KASPARI:
Genial
Warum habe ich nicht früher
mit dem Schreiben begonnen?
MANTEI holt den gefüllten Strumpf aus dem Pflegerkittel und zieht KASPARI von hinten eine über. Der fällt bewusstlos in den Rollstuhl.
MANTEI:
Drecksau
verdammte
du gehst auf keine Reise mehr
MANTEI rollt KASPARI aus dem Zimmer.
Der PRIMAR und ELISABETH kommen zurück.
PRIMAR (beruhigend):
Er wird eingeschlafen sein
Es dauert eine Zeit
bis die Patienten
richtig eingestellt sind
besonders
wenn sie ihre Laster verschweigen
ELISABETH:
Sie kennen die Geschichte?
Die mit meiner Mutter und meiner Schwester?
PRIMAR:
Tragisch das Ganze
Der Hausarzt war so nett
mich aufzuklären
Es gibt nun mal Dinge
über die kommt man nicht hinweg
Da sind die Berge
viel zu hoch
Manchmal
ist der Tunnel die bessere Lösung
Der Mensch
hat die unangenehme Eigenschaft
zu glauben
alles überwinden zu können
aber das ist falsch
Der Tunnel
ist meistens der einzige Weg
ELISABETH:
Ich war die jüngere von uns beiden
und hatte ihr mein Fahrrad geliehen
Ganze zehn Minuten war Christina älter
Nach der Vorstellung des Sommernachtstraum
haben wir den Vater informiert
Noch in Kostüm und Schminke
hat er die Polizeistation aufgesucht
Vielleicht ist das der Fehler gewesen
Daraufhin hat sich die ganze polizeiliche Ermittlung
um mindestens zwölf Stunden verzögert
PRIMAR:
Ja
wenn das Mahlwerk
die Mühle des Lebens
den Betrieb aufnimmt
ist das Schicksal
nicht mehr aufzuhalten
Naturgemäß
könnte ich Ihnen
jetzt etwas
von Stoffwechselkrankheiten erzählen
Aber Ihr Herr Vater
ist ein ganz besonderer Fall
ELISABETH:
Mir ist schlecht
Immer
wenn ich in solchen Häusern bin
raubt es mir den Atem
Es muss an den Reinigungsmitteln liegen
Zulange
in dieser Gefangenschaft
Kotzen könnte ich
Kotzen
Revolution
Exposé und Manuskript anfordern
1.Szene:SEHNSUCHT
Auf einem Sandhügel sitzen ISMAEL und SAID und starren in die Ferne. Ein Meeresrauschen ist zu hören.
Die beiden jungen Männer haben einen dunkeln Teint. ISMAEL trägt leichte westliche Markenkleidung. SAID einen Kaftan.
SAID:
Schön ist es hier
Der schönste Platz der Welt
Gott hat es gut
mit diesem Flecken gemeint
So sieht das Paradies aus
SAID lehnt sich zurück.
Spürst du den Wind?
Es ist so
als würden Engelscharen
an einem vorbeifliegen
ISMAEL:
Wenn man die Augen bis auf einen
ganz ganz kleinen Schlitz schließt
kann man nach einer gewissen Zeit
drüben das Land sehen
Umso länger
man über das Meer starrt
desto näher rückt das Land
Mit dem Auto
ein paar lächerliche Kilometer
SAID:
Hast du was genommen?
Was geraucht?
ISMAEL:
Bei Gott
ist das in diesen Zeiten nötig?
Die Luft ist schon kirre genug
Hörst du es nicht?
Sie schießen am Palast
SAID:
Na und?
Es sind unsere Leute
die schießen
Der Sieg wird unser sein
Wir werden siegen
Hörst du?
Wir werden das Land umgestalten
wirst sehen
morgen wird niemand
mehr Angst haben
Wir werden die Speerspitze sein
im Kampf gegen Unterdrückung
selbst die Chinesen
werden sich in ...
Eine große Detonation lässt SAID abrupt verstummen. Zum Schutz hat er seinen Kopf in den Sand gesteckt.
ISMAEL:
Das war der Präsidentenpalast
Musst keine Angst haben
Den ganzen Tag schon
fliegen sie in die Hauptstadt
Hier am Strand
Verlieren sie nicht ihr
kostbares Gut
SAID spuckt Sand.
SAID:
Das ist es doch gerade
Es geht doch
Um das kostbare Gut
Unser Öl
Unsere Bodenschätze
Unsere billigen Arbeitsplätze
Haare
Knochen
Haut
Organe
Wir verkaufen alles
Und am Ende des Tages
bleibt nichts
Schau
Wir beide haben studiert
Und was bleibt uns?
Krabben pulen in Marokko
oder Pflanzen setzen in Tunesien
Für was?
Ist das ein Leben?
Haben wir dafür studiert?
ISMAEL:
Der Großvater
ist mit fünfzig gestorben
Der Vater hat es
bis siebenundfünfzig gebracht
Und die Mutter
ist im Kindbett
bei meinem kleinen Bruder
an Blutvergiftung gestorben
Wir leben doch im Paradies
SAID:
Ja
es ist das Paradies
Aber solange es
Präsidenten
Paläste
Leibwachen
und Panzer
gibt
ist es die Hölle
ISMAEL:
In einem Land
mit den wenigsten Gefängnissen
möchte ich nicht mehr leben
SAID:
Wenn sie nach Rohstoffen schürfen
Um ihre Computer zu bauen
werden sie auf die Knochen stoßen
Massengräber
Unsere Brüder und Schwestern
ISMAEL:
Es geht das Gerücht
dass sie alte Tanker einsetzen
auf die sie die Flüchtlinge bringen
Und mitten auf dem Meer öffnen sie
die Bodenplatte
Da bleiben keine Knochen
Aus dem OFF ist ein Hubschrauber zu hören. Dann setzen Maschinengewehrsalven ein. SAID und ISMAEL stecken die Köpfe in den Sand.
2.Szene:FREIHEIT
Maschinengewehrschüsse, Detonationen, das Zischen von Raketen.
Licht flackert. Endlich wird es hell.
Der DIKTATOR sitzt in einer Phantasieuniform mit vielen Tressen und Orden in der Badewanne.
Der DIKTATOR telefoniert mit einem großen Sattelitentelefon.
DIKTATOR:
Roberto
was machst du mit mir?
War ich nicht immer nett zu dir?
Sind wir nicht Freunde?
Und jetzt das
Wie viel Wein
habe ich bei dir bestellt?
Wie viel Pasta?
Wie viel Pizza?
Und Schuhe Schuhe Schuhe
Wie?
Du heißt gar nicht Roberto?
Weißt du eigentlich
was hier los ist?
Deine Flugzeuge
schmeißen Bomben
Und Raketen ab
Auf mein schönes Land
Auf meine schöne Stadt
Auf meinen Palast
Hörst du?
Auf meinen Palast
Ich verstehe das nicht
Wie könnt ihr meine Freundschaft
so aufs Spiel setzen
Auch ich habe meine Grenzen
Sicher
Roberto
Sicher
Darfst du dir einen Spaß erlauben
Roberto
Du bist mein Freund
Ich habe dich
meine kleine Tochter
Durch Schreie
wird es nicht besser
Geschrieen hat meine kleine Tochter auch
Das ist alles festgehalten
Du kennst mich ja
Natürlich digital
Nicht HD
Ich weiß
Es ist ärgerlich
So bin ich eben
Gründlich
würden die Deutschen sagen
Aber du
Roberto
Du und ich
sind so anders
Wir
fassen mal das an
mal dieses
und ehe man sich versieht
hat man sich verzettelt
Wie?
Die Raketen
sind nicht von Dir?
Bist du nicht in der NATO
Diesem Stricherklub
Nein
Nein
Ich verwechsle dich nicht
Ihr seid Arschlöcher
wisst ihr das?
Ich könnt mich kreuzweise
Aber das Kreuz
ist ja eure Sache
Ich werde ein paar Filmchen
im Internet veröffentlichen
Roberto
Roberto
Du enttäuschst mich
Da hilft dein kindisches Fluchen
auch nicht weiter
Ach du hast Zeugen
wegen der Sache in Wien
der ukrainischen Nutte
die aus dem Fenster gefallen ist
Was willst du mir damit sagen?
Dass es auf der Welt
viele ukrainische Nutten gibt
und das eine Handvoll in Wien arbeitet?
Ach Roberto
Stell die Scheiß-Bombardierung ein
und wir sind wieder Freunde
Ein Leibwächter, bis an die Zähne bewaffnet, betritt den Thronsaal mit der Badewanne.
DIKTATOR (mürrisch):
Was ist?
Was ist?
Siehst du nicht
dass ich telefoniere?
Weißt du überhaupt
mit wem ich hier spreche?
Hey?
Vielleicht ist es mein Freund
Der amerikanische Präsident
oder mein anderer bester Freund
der russische Präsident
Also
was ist
stehen die Rebellen vor der Tür?
Der Diktator lacht kindisch und macht große Gesten, damit der LEIBWÄCHTER auch lachen soll.
Der LEIBWÄCHTER lacht gekünstelt.
Der DIKTATOR wird abrupt ernst.
Wieso lachst du
du Bastard
Du Kreuzung eines Fereks
und einer Schlange
Warum
nutzen alle meine Großzügigkeit
Güte und Nachsicht aus
Roberto
bist du noch dran?
Sag was?
Warum ist das so?
Also du Bastard
was bringt dich dazu
mich zu stören?
Nein Roberto
Nein
Natürlich habe ich nicht dich gemeint
Auch nicht den Duce
Du weißt
er ist mein großes Vorbild
Ich besitze
die größte Uniformsammlung des Duce
Sie hat mich ein Vermögen gekostet
Der LEIBWÄCHTER räuspert sich.
DIKTATOR:
Was ist denn noch?
LEIBWÄCHTER:
Der Vertreter der Nato
steht draußen
DIKTATOR:
Du siehst doch
dass ich bade
LEIBWÄCHTER:
Es geht um einen Waffenstillstand
Er sagt
ein Anruf
und der Spuk sei vorbei
DIKTATOR:
Bist du noch dran
Roberto?
Hast du gehört?
Deine Leute wollen einen
Waffenstillstand
Der Diktator lacht kindisch und macht große Gesten, damit der LEIBWÄCHTER auch lachen soll.
Der LEIBWÄCHTER lacht gekünstelt.
Der DIKTATOR wird abrupt ernst.
Er klatscht in die Hand.
DIKTATOR:
Dann herein
mit dem Abendland
Der LEIBWÄCHTER verbeugt sich tief und verlässt den Raum für einen Moment.
Der DIKTATOR holt eine Plastikente aus dem Wasser und streichelt sie wie ein Schoßhündchen.
Der LEIBWÄCHTER kommt mit dem GESANDTEN herein. Ängstlich schaut er sich um und ist sichtlich irritiert, dass der DIKTATOR in voller Uniform im Wasser liegt.
GESANDTER:
Ich bin gekommen
Um ihnen zu sagen
er stockt
Nun
Sie werden sicherlich
mitbekommen haben
Wie soll ich sagen
DIKTATOR:
Reden Sie
Reden Sie
Sehen Sie
Sehen Sie
Das Entchen hier
braucht meine Zuneigung
das ist das Leben
Sie mit ihren Resolutionen
Vollkommen weltfremd
Pisser
Bombardieren meine Residenz
Was fällt ihnen ein
Ungläubiger
Kinderficker
GESANDTER:
Niemand und das möchte ich
ausdrücklich betonen
möchte gegen Sie
aber
und
doch
und überhaupt
DIKTATOR:
Komm zur Sache
Das Wasser wird kalt
GESANDTER:
Die westliche Welt
die ich vertrete
ist froh darüber
dass sie
DIKTATOR (unterbricht):
Du Wurm
Ich weiß
was du mir sagen willst
Jetzt werden
Millionen unschuldige Menschen
einfach umgebracht
und ihr seid es Schuld
Rohstoffe
um mehr geht es nicht
GESANDTER:
Wir haben ein Abkommen
Mein Gott
Es geht um die Flüchtlinge
DIKTATOR:
Die ich euch
seit Jahren vom Halse halte
von eurer all zu heilen Welt
Sicher Ihr bezahlt mich
Dennoch
habt Ihr meine Großzügigkeit
meine angeborene
Herzlichkeit
nicht zu würdigen gewusst
Ich bin es
der die Welt zusammenhält
Gut
nicht allein
Der chinesische Ministerpräsident
sagt immer
bevor er ins Bett geht
zu mir
Ich wäre viel zu gutmütig
Verschenken
Ja
ich verschenke alles
vor allem
meine Gutmütigkeit
und meine Gutgläubigkeit
Der DIKTATOR beißt dem Plastikentchen den Kopf ab.
Der GESANDTE erschrickt.
GESANDTER:
Ich werde mit den Regierungen
reden
DIKTATOR (kauend):
Bist du noch dran
Roberto?
Hast du gehört
was dieser Wurm gesagt hat?
äfft nach
Ich werde mit den Regierungen
reden
GESANDTER:
Eure Exellenz
Sie können mir glauben
auf mich ist Verlass
Urplötzlich hält der DIKTATOR einen riesigen Westernrevolver in einer Hand.
DIKTATOR:
Die hat mir
der amerikanische Präsident geschenkt
Fünfundzwanzig Jahre
Revolutionsführer
Mit der anderen Hand holt er riesige Patronen aus der Wanne und steckt sie in die Trommel des Revolvers.
Die sind
vom französischen Präsidenten
hat angeblich ein Ururururenkel
eines gewissen Guillotin
entwickelt
Denen kann Wasser
nichts anhaben
und gleichzeitig
durchdringen sie den dicksten Stahl
GESANDTER:
Ich kenne den amerikanischen
aber auch den französischen Präsidenten
Ich bin bei ihnen so gut
wie zu Hause
Bei den meisten Regierungschefs
in Europa, Kanada und Südkorea
habe ich ein eigenes Zimmer
DIKTATOR:
Du Wurm
Der DIKTATOR drückt ab und erschießt den GESANDTEN:
Der LEIBWÄCHTER schaut entsetzt und beugt sich zu dem GESANDTEN.
LEIBWÄCHTER:
Bei Gott
Er ist tot
Sie werden unser schönes Land
in Schutt und Asche bomben
Ihre Rache
wird groß sein
Der LEIBWÄCHTER kniet auf dem Boden und hält die Hände klagend in Richtung Himmel.
Der DIKTATOR drückt ein zweites Mal ab. Der LEIBWÄCHTER bricht tot zusammen.
DIKTATOR:
Roberto?
Bist du noch dran?
Ja ja
Genau
ein Funkloch
Wieso?
Wieso?
Wegen der Welle
Du wirfst Bomben
Ich öffne die Schleusen
So einfach ist das
Der DIKTATOR lacht und öffnet eine Klappe in der großen Badewanne. Wasser fließt in Sturzbächen ab.
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